Bunter Grammatikvogel

Alain Denjean

Grammatikbücher sind oft blass und wenig interessant. Ausnahmen haben wir allerdings in der Waldorfbewegung genug, um den Grammatikunterricht zu verlebendigen: Klaus Peter Röh, Heinz Zimmermann, Erika Dühnfort bis zurück zum Klassiker der 1960er Jahre, Martin Tittmann.

Das neu aufgelegte Buch von Gabriele Böttcher muss diese Konkurrenz nicht fürchten. Böttcher weitet den grammatikalischen Blick, indem sie gleich in der ersten Geschichte an den Quell der Grammatik herangeht: Bei der Geburtstagsfeier für den 90jährigen, plattdeutsch sprechenden Großvater, fragt ihn das Urenkelkind: »Hast du so im Himmel gesprochen, als du noch nicht geboren warst?«

So geht es in diesem Buch auch um das Verhältnis der Himmelsabsichten zum Sprechalltag auf der Erde.

Sprachfähigkeit, Sprache, Sprachen, Dialekte: bunt, derb, glatt, gut formuliert, geschickt, wohlklingend, gegliedert, korrekt, geheimnisvoll. Man spricht, wie man strickt, das heißt nur mit einer Teilaufmerksamkeit. Wendet man sich aber mit dem Gemüt und tastendem Empfinden der Sprache zu, so entsteht sie neu und unser Wille, mit ihr umzugehen, zu experimentieren, sie zu gestalten, wird angeregt. Genau das ist die Leistung der »bunten Feder«.

Das Buch bietet schöne Texte, an denen der Leser viel Sprachgefühl entfalten kann. Es bietet aber auch eine große Menge an spannenden Übungen, um die Qualität der eigenen Sprache zu verbessern.

Das Besondere an diesem Buch ist , dass es die induktive Methode verfolgt, die Steiner in seinem Konzept des Grammatikunterrichts entwickelte: Von der erlebten Sprachsubstanz ausgehend an die vertraute Sprachsubstanz herantasten, um dann die Grammatik wach zu erfassen.

Um das Interesse der Schüler und vielleicht auch manches sprachmüden Klassenlehrers zu wecken, ist Die bunte Feder eine Fundgrube, die ihre Schätze anthropologisch fundiert darbietet.

Gabriele Böttcher: Die bunte Feder. Entdeckungen an der Sprache. Rätsel der Schrift. 116 S., Edition Waldorf, 2. Auflage 2012, 20 Euro