Cineastisches Schlachtfest

Lorenzo Ravagli

Gewiss birgt der neue Film »Inglorious Basterds« von Quention Tarantino politische Implikationen. Aber man darf sich von der Oberfläche seiner Erzählung nicht zu falschen Schlüssen verleiten lassen. Tarantinos Film ist vor allem die Abrechnung eines Regisseurs, für den die Leinwand seit je ein Ersatz für das reale Leben ist. Das eigentliche Ziel seines Zorns ist der schlechte Film.

Dass der schlechteste Film des 20. Jahrhunderts unter der Patronage eines politischen Hasardeurs zustande kam, der zufällig Propagandaminister des Dritten Reichs war, ist nicht Tarantinos Schuld. Dass die zur Geschichtsmetaphysik gewordene Kunst am Ende ihr Strafgericht in Form eines Blutbands vollzieht, haben sich die Dilettanten selbst zuzurechnen, die die Nemesis mit ihrer Anmaßung heraufbeschworen haben, sie könnten die Kunst vor den Karren der Propaganda spannen. Reden wir also nicht über Politik, sondern über Kunst. Tarantino hat seine Virtuosität der Geschmacksverirrung mit seiner neuen Produktion vielleicht auf den Gipfel getrieben, auf dem sie nicht mehr übersteigbar ist.

Was wie ein blutrünstiges Plädoyer für die Autonomie des ästhetischen Reiches daherkommt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als Trashmovie, das in einem Edelrestaurant von Kellnern serviert wird, die Livrées tragen und den Gast durch ihre Blasiertheit von seiner Exklusivität zu überzeugen versuchen. Ob das Essen schmeckt, ist nicht die Frage. Die Blutspur von Tarantinos Edelprodukten zieht sich durch die Filmgeschichte, angefangen mit »Reservoir Dogs« über »Pulp Fiction« und »From Dusk till Dawn«, für das er das Skript geschrieben hat, bis zum Zweiteiler »Kill Bill« und »Death Proof«. Eine Hühnerschlächterei könnte keine ästhetischeren Impressionen vermitteln als Tarantinos Filme.

Das von Natur aus Unästhetische, das Schlachtfest, wird nicht dadurch ästhetisch, dass man es wie ein Gemälde von Hieronymus Bosch inszeniert. Was Tarantinos neuesten Film bedeutend macht, sind nicht die fulminanten schauspielerischen Leistungen – in diesem Fall wäre vor allem Christoph Waltz als Judenjäger Walter Landa zu nennen, der all seine Komparsen in den Schatten stellt, ein leibhaftiger Mephisto –, sondern die Tabulosigkeit Tarantinos. Er bemächtigt sich eines Subjekts der Geschichte und schreibt es zu einer abenteuerlichen Fiktion um.

Die allerdings politischen Implikationen des Plots können hier nicht diskutiert werden. Hitler wird mitsamt der NS-Führungselite in Paris von Juden ermordet, als er sich dem Genuss eines unsäglichen, von Goebbels produzierten Kino-Machwerks hingibt. Hitler als Opfer seines schlechten Filmgeschmacks. Ein schönes Märchen. Schade, dass das Märchen nur ein Märchen ist.

Inglorious Basterds. Action/Kriegsfilm mit Brad Pitt, Christoph Waltz, Til Schweiger u.a. 154 Min., Universal Pictures, USA/Deutschland 2009, freigegeben ab 16 Jahre.