Ein Satz, der sich heute noch warm anfühlt und der mich durch politisch und gesellschaftlich wilde Zeiten sehr positiv begleitet hat. Sie hat ihn unserer damals 5. oder 6. Klasse gesagt und er wirkt bis heute. Er lautete »ich bin dankbar und voller Freude, in unserer spannenden Zeit leben zu dürfen«.
Nun wissen die, die in den 1980er Jahren nicht gelebt haben nicht, was das für Zeiten waren und die, welche dort schon gelebt haben, mögen es vergessen haben. Die »Zeiten« von denen sie sprach, waren geprägt von einer Unsicherheit, die die heutige wahrscheinlich übertrifft. Die öffentliche Wahrnehmung war geprägt vom Kalten Krieg und der Angst vor einem Atomkrieg, von Tschernobyl und der Angst vor einer Umweltkatastrophe, sowie vom Waldsterben, der Ölkrise und einer großen Angst vor der Zukunft. Dazu kam in Waldorfkreisen eine teilweise fast panisch anmutende Sorge vor dem Vormarsch der sogenannten »Konservenmusik«, von Fernseher und dem beginnenden Siegeszug der Computer. In dieser Zeit – stellen wir uns vor, sie hat sich angefühlt wie die heutige – hat sich unsere Lehrerin in ihrer ganzen Ruhe und Seriosität vor unsere Klasse gestellt und uns lächelnd und ruhig mitgeteilt, dass sie »sehr dankbar und glücklich« ist, in dieser heutigen Zeit leben zu dürfen.
Für mich als Kind hat sich das sehr warm angefühlt, ich erinnere mich gut daran. Dieses Gefühl hat mich durch alle folgenden Zeiten begleitet. Bis heute. Und wenn andere heute die Nachrichten ausschalten, weil sie alles so tragisch finden, möchte ich sagen: »lass an, ich bin dankbar und glücklich, in dieser heutigen Zeit leben zu dürfen«.
Ich wünsche mir für meine und alle anderen Kinder dieser Welt, dass sie das Glück haben, Vorbilder in ihrem Umfeld zu haben, welche ihnen eine ähnliche Zuversicht und Kraft schenken können. Es ist nicht nur eine schöne Übung, Dankbarkeit für unser Sein zu entwickeln, sondern es gibt Kraft und Freude, in unserer Zeit leben und handeln zu dürfen. Und jedes Kind, egal wo und wann es geboren wird, hat das Recht, sich auf und über sein bevorstehendes Leben zu freuen. Und da wir es nicht vor negativen gesellschaftlichen Schwingungen schützen können, ist es doch eine große Chance, leuchtende, individuelle Gegenmodelle zur weit verbreiteten Negativität zu erschaffen.
Ich glaube, meine Klassenlehrerin von damals und ihre 30 Schülerinnen und Schüler sehen das auch so.