Weit gefehlt! Es geht um nicht weniger als um eine Verständnismöglichkeit der Grundtatsachen des Christentums im Zusammenhang mit einem dynamischen Menschenbild, wie es auch der Waldorfpädagogik zugrunde liegt: Natur und Gesellschaft formen den Menschen, auf dass er sich von beiden lösen und sich selbst formen kann: Natur – Gemeinschaft – Individuum.
Ein wesentlicher Aspekt dieser Entwicklungsdynamik ist die Polarität des Männlichen und des Weiblichen, die bei genauem Studium der Bibel von Anbeginn an so differenziert und »gleichberechtigt« erscheint, dass kaum zu glauben ist, wie sich die noch heute vielerorts bestehende einseitige Interpretation so lange hat halten können …
Michael Debus führt aus, wie das Weibliche als »Spiegel« erscheint – und somit veranlagt, dass das Geschöpf Mensch einst selbst zum Schöpfer werden kann. Wie Debus die Dimensionen dieses gewaltigen Themas auf kaum 200 Seiten klar, präzis und anschaulich entwickelt, ist anregend – nicht zuletzt für viele ganz lebensnahe Bereiche. Wer sich in Ruhe durch die neun Abschnitte arbeitet, wird bemerken, wie konkret alle diese Einzelaspekte sind, wie schwer zu verstehende Tatsachen der christlichen Verkündigung (z.B. der am Kreuz von Golgatha gestiftete Bund zwischen dem »Jünger, den der Herr liebte« und der Mutter Jesu) in einem neuen Licht erscheinen, bis hin zu der Aussicht auf die Fortsetzung der oben erwähnten Reihe: Natur – Gemeinschaft – Individuum – Neue Gemeinschaft – Neue Natur.
Das vor 20 Jahren erschienene Buch liegt nun in einer Neuauflage vor, zu der man dem Verlag nur gratulieren kann.
Michael Debus: Maria-Sophia – Das Element des Weiblichen im Werden der Menschheit, 208 S., EUR 28,–, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2020