Den Kriegsdienst verweigern in Israel

Gilad Goldshmidt | Warum haben Sie den Dienst in der Armee verweigert?

Hallel Rabin | Ich habe mich aus Gewissensgründen und als Pazifistin geweigert, in der Armee zu dienen. Ich habe mich bewusst entschieden, mich nicht anzumelden. Ich habe lange überlegt, ob ich mich einschreiben soll oder nicht, insbesondere, ob der Militärdienst meinen Idealen angemessen ist. Ich habe an allen Tests im Zusammenhang mit der Einberufung in die Armee teilgenommen und dann kurz vor der Einberufung beschlossen, mich nicht anzumelden. Dann schrieb ich einen Brief an ein Komitee der Armee, dass ich als Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen anerkannt und nicht verpflichtet werden will.

GG | Darf man in Israel den Kriegsdienst verweigern?

HR | In Israel gibt es ein obligatorisches Einstellungsgesetz für Männer (drei Jahre) und Frauen (zwei Jahre). Aber auch eine Klausel, die besagt, dass man aus Gewissensgründen und pazifistischer Überzeugung aus dem Militärdienst entlassen werden kann. Die Armee macht es einem allerdings sehr schwer, aus diesen Gründen entlassen zu werden. Ich war im vergangenen Jahr der einzige Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen, das ist bis heute keine legitime Sache.

GG | Gibt es keine anderen Verweigerungsgründe?

HR | Es ist sehr leicht für Frauen, aus dem Militärdienst entlassen zu werden, zum Beispiel wenn ich sagen würde, dass ich psychisch gestört bin oder Suizidneigungen habe, oder ich könnte fiktiv heiraten oder Krankheiten erfinden, dann gäbe es kein Problem, entlassen zu werden. Jeder, der einen geistigen oder körperlichen Hinderungsgrund angeben kann, wird ausgemustert. Für mich war es aber sehr wichtig, einen aufrichtigen Weg zu gehen.

GG | Wie sind Sie bei Ihrer Verweigerung vorgegangen?

HR | Ich habe einen Brief geschrieben, der lange nicht beantwortet wurde. Schließlich wurde ich, eine Woche vor der Einberufung vor ein Komitee geladen. Es bestand aus fünf Militärangehörigen und einem Wissenschaftler der Akademie. Das Komitee prüft auf sehr demütigende Weise, ob die Person wirklich Pazifist ist. Der Ablehnungsbescheid kam einen Tag vor der Einberufung. Man kann Widerspruch einlegen. Darauf habe ich verzichtet, weil ich meine Weigerung ja bereits erklärt hatte.

GG | Wie ging es weiter?

HR | Am Tag der Rekrutierung kam ich im Rekrutierungsbüro an und weigerte mich, eine Uniform zu tragen und am Einstellungsprozess teilzunehmen. Ich setzte mich und sagte: »Ich brauche einen Offizier, der mir sagt, was ich tun und wohin ich gehen soll, weil ich mich nicht anmelde.« Nach langem Reden schickten sie mich ins Gefängnis. Ich hatte Angst, aber ich wusste, wohin ich ging, ich wusste im voraus, dass ich in ein Militärgefängnis gehen müsste.

GG | Was geschah im Gefängnis?

HR | Die Behandlung war unangenehm, sogar demütigend. Es waren zehn Frauen in einer Zelle untergebracht. Zuerst war ich schockiert, fühlte mich aber nicht schlecht. Nach dem Schock sah das Ganze albern aus. Ich hatte bald Freundinnen: Mädchen, die wegen Gewalt, Fahnenflucht, Drogen und anderem einsaßen. Nach einiger Zeit gab es einen weiteren Prozess und ich wurde zu 14 Tagen Gefängnis verurteilt. In der Zwischenzeit habe ich immer wieder versucht, gegen das Komitee und seine Entscheidung Berufung einzulegen, was schließlich auch gelang. Eine andere Entscheidung war, mich an die Medien zu wenden. Es war mir wichtig, meine Grundsätze und die Möglichkeit, die Aufnahme in die Armee zu verweigern, bekannt zu machen. Jeder Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen, der sich an die Medien wendet, kann andere beeinflussen und ermutigen. Und so veröffentlichte ich in mehreren Netzwerken und Zeitungen Artikel und Kurzfilme, die auch in den Nachrichten auftauchten, allerdings meistens auf alternativen Kanälen.

GG | Wie hat die Öffentlichkeit reagiert?

HR | Ich habe viele Nachrichten und positive Rückmeldungen von Hunderten von Menschen in Israel und aus der ganzen Welt erhalten. Das war sehr ermutigend. Das Echo war erstaunlich und heute denke ich, dass ich auch bereit war, ein paar Monate einzusitzen, um dieses Medienecho zu erzeugen. Unter anderem erhielt ich Nachrichten von Palästinensern, die mir schrieben, dass sie dadurch neue Hoffnung schöpfen würden.

Im Gefängnis hörten sie von den Artikeln, die über mich geschrieben wurden, und sogar die Gefängniskommandanten sagten mir, wie sehr sie mich und meinen Mut und meine Entschlossenheit bewunderten, für die Werte zu leiden, an die ich glaube. Dies trotz der Tatsache, dass sie alle betonten, dass sie meine Verweigerung ablehnten.

GG | Insgesamt saßen sie 56 Tage im Gefängnis?

HR | Ja. Ich wurde dreimal entlassen und viermal inhaftiert. Nach der dritten Inhaftierung kam ich wieder vor das Komitee, es war eine schwierige Erfahrung, vor Leuten zu sitzen, die mir zeigen wollten, dass ich faul bin und das Gesetz nicht einhalte. Ich ging raus und weinte, ich war mir sicher, dass sie mich und meine Meinungen nicht wirklich hören wollten. Es ist eine Art Gerichtsverfahren ohne Schutz, ohne Verteidiger. Dann erhielt ich die Nachricht, dass das Komitee mich freigelassen hatte. Das war einer der glücklichsten Momente meines Lebens.

GG | Wie haben Sie diese ganze Zeit ertragen?

HR | Ich wusste von Anfang an, dass ich es schaffen würde und dass ich stark genug war, es zu überstehen. Also bin ich wohl auch bis zum Ende mit meinen Idealen und meinem Glauben gegangen. Guten Gewissens kann ich nicht zur Armee gehen, weil sie eine Organisation der Zerstörung, des Todes ist. Ich kann mich mit solchen Zielen nicht identifizieren. Es gibt schon Abteilungen in der Armee, die gute Dinge tun, aber sie sind immer noch Teil einer militärischen Organisation. Jede Armee hat das Ziel, Kriege zu führen, und ich bin nicht bereit, zu einem System beizutragen, das solchen Zwecken dient. Die Armee beendet keine Kriege, sie schafft Kriege, sie setzt den Kreislauf von Krieg und Töten fort und ich kann das nicht mitmachen. In der Tat befindet sich Israel in einer schwierigen Situation, aber meiner Meinung nach ist die Armee nicht die Lösung, sondern Teil des Problems.

GG | Welchen Einfluss hatte Harduf oder die Waldorfschule auf Ihre Entscheidungen?

HR | Ich wurde oft gefragt, ob es einen Zusammenhang zwischen dem, was ich tat, und der Erziehung gab, die ich in Harduf und in der Waldorfschule durchgemacht habe. Ich wurde nicht dazu erzogen, zu verweigern und das Gesetz zu brechen. Ich wurde dazu erzogen, Menschen zu respektieren, wo immer sie sind. Ich wurde dazu erzogen, eigene Entscheidungen zu treffen und Verantwortung für mein Leben und meine Prinzipien zu übernehmen. Ich wurde zu sozialem Engagement erzogen.

Meine Schwester wurde auch eingezogen, meine Eltern waren beim Militär, daher ist es auch eine sehr persönliche Entscheidung. Ja, die Ausbildung, die ich durchlief, gab mir die Werkzeuge, um zu denken, zu entscheiden und stark hinter meinen Entscheidungen zu stehen. Und auch weiter und größer zu denken, offener zu sein. In der Schule in Harduf haben wir künstlerische und soziale Erfahrungen gemacht, die mich auf diese Entscheidung vorbereitet und gestärkt haben. Es besteht also ein Zusammenhang.