Wir kennen Oskar Schindler und auch John Rabe, zumindest seit es die bewegenden Kinofilme über diese beiden Persönlichkeiten gibt. Manche wissen, wer Raoul Wallenberg war. Wenige haben von Chiune Sugihara gehört oder von Aristides de Sousa Mendes. Sie alle haben mit ihrem Mut und ihrem Moralempfinden tausenden Menschen geholfen, dem Nazi-Terror und dem sicheren Tod zu entkommen.
Aus einer wohlhabenden portugiesischen Aristokraten-Familie stammend, entschied sich Aristides de Sousa Mendes nach dem Jura-Studium für den diplomatischen Dienst. Über viele Zwischenstationen in Asien, Afrika und Amerika trat er 1938 seinen Dienst als Generalkonsul in Bordeaux an.
Nach dem Kriegsausbruch und der darauffolgenden Besetzung Frankreichs durch die Wehrmacht, kamen viele Flüchtlinge in den freien Teil Frankreichs. Sie wollten über Spanien nach Portugal, um von dort mit einem Schiff nach Übersee zu fliehen. Das Land war als einziges Nadelöhr geblieben, nachdem die Schweiz und das ebenfalls neutrale Schweden keine Flüchtlinge mehr aufnahmen.
Das diktatorische Regime in Portugal unter António Salazar, das sich zwar neutral verhielt, aber mit der Politik des Dritten Reiches sympathisierte, verbot die Durchreise unerwünschter Personen.
Was geschah in den Tagen zwischen dem 16. und dem 19. Juni 1940, die für den Konsul Sousa Mendes und für viele tausend Menschen schicksalsentscheidend sein sollten? Nach Tagen der Agonie, in denen er sich in seinem Bett vergrub, nicht wusste, wie er sich zwischen Gewissen und Befehl verhalten sollte, während Tausende von Flüchtlingen vor dem Konsulat auf ihre Visa warteten, traf er die folgenschwerste Entscheidung seines Lebens.
Entgegen den Anweisungen seines Ministeriums stellte er im Schnellverfahren allen wartenden Menschen ein Visum aus, mit dem sie einen rettenden Hafen in Portugal erreichen konnten. Während dieser Tage waren sein Büro und seine Wohnung mit hilfesuchenden Flüchtlingen überfüllt. Er arbeitete Tag und Nacht, um die Flut der Visaeinträge bewältigen zu können.
Die Konsequenzen seines Handelns können in dem fabelhaft geschriebenen Buch von José-Alain Fralon nachgelesen werden. Ihm ist es neben anderen zu verdanken, dass der Name Aristides de Sousa Mendes nicht in Vergessenheit geraten ist. Das selbstlose Handeln dieses Konsuls wird von Fralon eingehend geschildert.
Er vermittelt das Bild eines mutigen und unerschrockenen Menschen, dem moralisches Handeln über den Gehorsam geht. Ein Buch, das in keinem Biographieregal einer Buchhandlung und in keinem Klassenzimmer der Oberstufe fehlen darf.
José-Alain Fralon: Der Gerechte von Bordeaux. Wie Aristides de Sousa Mendes 30.000 Menschen vor dem Holocaust bewahrte. 207 S., geb. EUR 18,50. Urachhaus Verlag, Stuttgart 2011