Die coolste Sechs meines Lebens

Bettina Bechtel

»Da war dieser Schüler Max, Max Werner – den Namen solltet ihr euch merken – er hat sich intensiv mit dem Künstler Joseph Beuys beschäftigt und über ihn seine schriftliche Facharbeit geschrieben. Ihr wisst …«

»Ja, Beuys! Er hat Fettflecke in der Kunst salonfähig gemacht.«

»Und Kupfer und Filz! Er ist im Krieg fast erfroren und man hat ihm mit isolierendem Filz das Leben gerettet.«

»Der hat doch mal als freien künstlerischen Akt seine Skulptur mit Wildbienenwachs übergossen.«

»Nun, unser Prüfling Max hat seine Arbeit ›Über die Freiheit, die soziale Plastik und den erweiterten Kunstbegriff im Sinne von Joseph Beuys‹ abgegeben. Ich sah mich gezwungen, ihn auf die Konsequenzen im Sinne der Prüfungsordnung hinzuweisen.«

»Warum?«

»Hier schaut ...«

»Er hat sein Künstlerporträt in Filz eingepackt.«

»Und mit Kupfer betitelt! Form und Inhalt im Einklang.«

»Wo ist das Problem?«

»Als ich den Filzeinband hebe, sehe ich das hier ...«

»Er hat alle seine handschriftlich beschriebenen Seiten in Bienenwachs eingeschmolzen!«

»Nein!«

»Was für ein Aufwand!«

»Genial!«

»Man kann durchgängig nur die ersten Sätze lesen. Als wir ihn aufforderten, seine lesbare Form abzugeben, sagte er: ›Beuys geht es darum, frei zu handeln, Verantwortung zu übernehmen und durch die Kunst mit seinen Mitmenschen ins Gespräch zu kommen. Darum geht es mir hier, nicht um die Note.‹«

»...«

»Wie habt ihr nun seine Arbeit benotet?«

»Puh. Ein echter Zwiespalt.«

»Ich habe gesagt: Ich fühle mich geehrt, dass ich Sie prüfen darf. Aber ich weiß, die Arbeit gilt als nicht abgegeben und das heißt: Es ist eine Sechs. So kam es dann auch.«

»Wie reagierte der Schüler?«

»Genauso wie ich innerlich: ›Das ist die coolste Sechs meines Lebens!‹« ‹›

Frei erzählt nach einer wahren Begebenheit.

PS: Gemäß seiner Intention ist Max an einem Gedankenaustauch interessiert. Fragen und Meinungen an: max.werner99@t-online.de