Die Imkerin kommt

Barbara Leineweber

Wenn die Biene stirbt, stirbt auch der Mensch, hat Albert Einstein gewarnt. Denn sie ist durch ihre Bestäubungsleistung das drittwichtigste (Haus-)Tier des Menschen. Die zweite Klasse unserer Waldorfschule hatte mich eingeladen, etwas über die faszinierende Welt dieses Tiers zu erzählen. Neugierig und interessiert folgten die Kinder meinen Ausführungen über das Zusammenleben von Mensch und Biene: über die Entstehungsgeschichte der Imkerei, die frühen Zeidler, die Waldhonigsammler, die den Honig noch aus den hohlen Bäumen klaubten; die ersten Klotzbeuten, als die Menschen die abgestorbenen Bäume mit den Bienenhöhlen abholzten und in Dorfnähe brachten – denn nicht nur der Mensch war an dem süßen Gold interessiert, sondern auch der einzige Feind der Bienen, der Bär. Die Kinder hatten in den vergangenen zwei Wochen das Buch »Kleine Biene Sonnenstrahl« vorgelesen bekommen und dadurch schon das Leben in einem Bienenstock kennengelernt. Die Imkerschutzkleidung hatte ich mitgebracht, ein Kind durfte die Jacke und die Handschuhe anziehen, ein anderes den Smoker, den Besen und den Stockmeißel herumtragen und zeigen. Ich hatte meinen selbstgeflochtenen Bienenkorb aus Stroh mitgebracht, der so stabil ist, dass nicht nur eine Zweitklässlerin sich darauf setzten kann, sondern auch ein erwachsener Mensch.

Ich erzählte vom Lebenszyklus der Bienen, den Arbeiten im Bienenstock, den Putz-, Ammen-, Wächter-, Späher- und Sammelbienen, von Arbeiterinnen, der Bienenkönigin und den Drohnen und versuchte so, das Bild des Bienenstocks als eines lebendigen Organismus, der sich mit den Licht- und Sonnenkräften im Jahreslauf entwickelt, vor den Augen der Kinder entstehen zu lassen. Die Kinder saßen im Stuhlkreis und in der Mitte hatte ich alles ausgebreitet, was uns die Bienen schenken: Wachs, von der Wabe über das gereinigte Wachs bis hin zu gedrehten und selbstge­zogenen Kerzen, Honig von verschiedenen Ernten in verschiedenen Farben und Geschmacksrichtungen, Propolis, als rohe Kugel geformt und mit Alkohol zur Lösung verarbeitet, Pollen für die Frühjahrskur, nicht nur für Allergiker eine Vitalitätsgabe sondergleichen, und dann auch Salben und selbst hergestellte Cremes auf Bienen­wachs- grundlage und mit Bienengift versehen. All diese Dinge ließ ich rund gehen. Die Kinder konnten fühlen, riechen, tasten und schmecken und zum näheren Hinsehen hatte ich eine in Bernstein eingeschlossene Biene dabei. Ich hatte auch meine gefilzte Biene Ambrosia, Blüten, Blumen und Pollen aus Filz dabei und erzählte den Kindern, was die Bienen alles so brauchen, außer der Sonne, dem Licht und den Blumen. Ich kam auf Trachtpflanzen und -bedingungen zu sprechen und darauf, dass der Mensch den Bienen Nahrung geben muss, damit sie gesund überleben können.

Nun war aber genug erzählt. Die Kinder hatten selber noch viele Fragen mitgebracht: Sie wollten wissen, warum die Imkerkleidung weiß ist, wie viele Kilometer eine Biene für 500 Gramm Honig zurücklegen muss (drei mal um die Erde!), in welcher Höhe der Hochzeitsflug stattfindet (da waren sie erstaunt, dass die Bienenkönigin bis zum Ultraviolett des Regenbogens fliegt), warum die Drohnen sterben müssen, wie lange die Königin lebt, wie groß eine Hornisse wird, welche Feinde die Biene hat und wie sie selbst ein Insekten­hotel im Garten bauen können. Danach durfte ich mir noch die wunderschön gestalteten Epochenhefte der Kinder ansehen, sie bekamen von mir meinen Imkereistempel und dann ging es an die Honigbrote! Die Eltern hatten für diesen Besuch Brote gebacken, ich hatte den Honig mitgebracht und das süße Schmausen begann.

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