Die Rücktritte von Mannheim. Ein Kommentar
Die Abstimmung über einen Antrag des Instituts für Waldorfpädagogik, Inklusion und Interkulturalität in Mannheim auf der Mitgliederversammlung des Bundes der Freien Waldorfschulen am 24. / 25. März 2012 in Mannheim hatte zur Folge, dass zwei Mitglieder aus dem Finanzierungsrat (Hans Hutzel, Erika Blass-Loss) und drei Mitglieder aus dem Ausbildungsrat (Michael Handtmann, Walter Riethmüller, Jürgen Spitzer) ihre Arbeit in diesen Gremien niederlegten. Warum?
Der Antrag setzte voraus, dass innerhalb von drei Jahren die Zahl der dort Studierenden mehr als verdreifacht, das akademische Lehrpersonal entsprechend erhöht und die Teilfinanzierung über Drittmittel aus Stiftungsgeldern langfristig gesichert ist. Ausbildungs- und Finanzierungsrat konnten nach monatelangen und schwierigen Beratungsgesprächen mit dem Antragsteller dieser unsicheren Planung nicht zustimmen, zumal dies eine Abweichung aus dem derzeit gültigen leistungsorientierten Finanzierungsmodell bedeutete. Diese Empfehlung der Räte wurde von den Voten der Drittmittelgeber DAMUS-Stiftung (Götz Werner und Benediktus Hardorp) und der Software-Stiftung (Walter Hiller) in der Aussprache maßgeblich konterkariert. Die DAMUS- und Voith-Stiftung unterstützen mit viel Geld die Mannheimer Initiative; auch die Software-Stiftung hat ihre Unterstützung in Aussicht gestellt.
Ein finanzielles Engagement von Wirtschaftsunternehmen für die Bildung (Kulturleben) ist grundsätzlich zu begrüßen und keine Empfehlung eines Bundesgremiums ist sakrosankt. Fraglich erscheint jedoch der Vorgang selbst, der zu dieser Entscheidung führte. Dürfen Statements, die zwar Stimmung machen, aber wenig zur Sache selbst beitragen, von nicht stimmberechtigten Geldgebern auf einen Meinungsbildungsprozess der Mitglieder kurz vor einer Abstimmung eine fundierte Empfehlung schnell mal aus den Angeln heben? Wäre es nicht »sauberer« gewesen, ein aus der Mitgliederversammlung kommendes Abstimmungsergebnis abzuwarten und dann mögliche Drittelmittelgeber zu fragen, ob sie sich an den Folgen dieser Entscheidung finanziell beteiligen möchten?
Die Mehrheit der Mitglieder (55 Prozent) sprach sich am Ende für das riskante Projekt aus. Die Minderheit könnte sich manipuliert gefühlt haben. Konsequenterweise folgten die Rücktritte. Nun muss der Bund der freien Waldorfschulen und seine Mitglieder ihr Verhältnis zu den Räten und dem Bundesvorstand neu klären.
Tim , Marburg, 30.03.12 12:03
Vielen Dank für diesen Beitrag.
Genau so habe ich es auf der Versammlung auch erlebt. Der Schritt der Räte war konsequent und zeigt, welches Problem an vielen Waldorfschulen mit dem Delegationsprinzip herrscht.
Ich hatte gehofft, dass gerade der Bund der Waldorfschulen auf diesem Gebiet Vorbildcharakter für die Schulen haben könnte. Diese Hoffnung ist enttäuscht worden. Nun gilt es den Kollegen in den Schulen zu vermitteln, dass es sich trotzdem lohnen kann, eine Aufgabe als Delegation zu übernehmen und dass diese Arbeit zur Entlastung aller beiträgt, und nicht hinterher durch Stimmungsmache und Polemik konterkariert wird. Es bleibt viel zu tun! Hoffen wir, dass wir Menschen finden, die bereit sind eine Aufgabe verantwortungsvoll zu übernehmen, und dass deren Entscheidung als "Spezialisten" dann auch anerkannt wird. Wenn wir in Zukunft nach dem Beispiel der Mitgliederversammlung handeln, werden die Waldorfschulen ihre Handlungsinitiative verlieren. Aber - die Hoffnung stirbt zuletzt!
Elisabeth , 01.04.12 18:04
ich hätte mich über einen nicht so polemischen beitrag gefreut der zudem auch weniger gestelzt hätte formuliert werden können....
Henning Kullak-Ublick, 18.04.12 00:04
Die Entscheidung der Mitglieder, die grundständige Bachelor/Master-Ausbildung zum Klassenlehrer in Mannheim zu finanzieren, macht zunächst mal zwei Dinge deutlich:
1. Die Begründung für den Antrag der Räte, in Mannheim künftig nur noch postgraduierte Ausbildungsgänge zu finanzieren, war vielen der Anwesenden nicht im Detail bekannt oder gegenwärtig. Sonst wäre klar gewesen, dass es überhaupt nicht um die prinzipielle Rettung oder Abschaffung grundständiger Ausbildungswege ging, sondern darum, nicht einen erheblichen Teil der vorhandenen und noch zu beschaffenden (!) Geldmittel in weiteren Bachelorstudiengängen zu binden, während andere Aufgaben (z.B. die Oberstufenlehrerausbildung) dringend ausgebaut werden müssen.
2. Die Schulbewegung will grundständig ausgebildete KlassenlehrerInnen, und zwar eher mehr als weniger. Sie hat den Leitungsgremien des Bundes der Freien Waldorfschulen damit den Auftrag erteilt, die weitere Entwicklung von Mannheim erst einmal abzuwarten und parallel dazu die notwendigen Aufgaben anzugehen.
Um diesen Auftrag umzusetzen, brauchen Bundesvorstand und Räte jetzt ihrerseits die aktive Unterstützung der Schulbewegung, und zwar sowohl in finanzieller Hinsicht als auch in ihrer Bereitschaft, sich um junge Lehrerinnen und Lehrer zu bemühen - bei ihrer Einarbeitung, bei ihrer Förderung, bei ihrer Weiterbildung und nicht zuletzt dabei, sie überhaupt für die Waldorfschulen zu interessieren, indem sich die Schulen als interessante, weltoffene und schöne (!) Arbeitsplätze zu erkennen geben.
Die Entscheidung der Mitgliederversammlung war kein strategischer Unfall - womöglich gar induziert durch ein paar unbotmäßige Redner. Eine solche Kritik erinnert an die Vorschläge der Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, die aktuell gerade die Redezeit von "Abweichlern" beschränken wollen.
Die Waldorfschulen haben ein riesiges Potenzial, die Räte haben eine tolle Arbeit gemacht, Mannheim hat viel vor und kann jetzt beweisen, dass uns nichts vorgemacht wurde. Also lasst uns in die Hände spucken und jeder an seinem Platz das Richtige tun! Der Rest kommt dann schon.
Thorsten Ziebell, Kaltenkirchen, 18.04.12 18:04
Die Mitgliederversammlung, ebenso wie die, vorhergehende, in Stuttgart, war von dem massiven Eigeninteresse des Standortes Mannheim überlagert.
Bereits in Stuttgart war die sachliche Entscheidungsvorlage der Räte für die Delegierten und die Meinung der Eltern bekannt und die, zwischen den Mitgliederversammlungen ausgetauschten, Informationen waren nicht geeignet diese zu ändern.
Eltern haben jetzt Schüler an den Schulen und wollen 'Waldorflehrer', diese sind in der Oberstufe aber selten anzutreffen und werden durch die grundständische Ausbildung von Klassenlehrern auch nicht mehr.
Es war aber nicht das Abstimmungsergebnis,das zum Rückzug der Räte führte, sondern der Verlauf der Meinungsbildung und die persönliche Diffamierung.
Und natürlich hat es einen Einfluss, wenn einn möglicher Geldgeber den völlig deplatzierten Satz 'Freie Lehrer treffen freie Entscheidungen' in einer Delegiertentagung unwidersprochen wirken lassen kann.
Wo blieb denn der Ruf zur Freiheit als Herr Hiller in einer 'Umbaupause' über das Mikorfon ausführte, es sei potentiellen Geldgebern nicht zu vermitteln, dass es kein 'Referendariat' und nur eine mangelhafte Einarbeitung gäbe?
Ich hätte mir eine ebenso große Präzens am Sonntag gewünscht, wo es nur noch im die Belastung über die Schülerkopfsätze und ähnliches ging.
Es ist den Betroffenen aus Mannheim zu wünschen, dass sie die fehlende Finanzierung in den nächsten beiden Jahren schaffen, in der Schulbewegung ist jetzt wieder Platz für anderes und hoffentlich bleiben uns die Menschen in den Räten erhalten.
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