Als alleinerziehende Mutter und Klassenlehrerin habe ich mir immer die Frage gestellt, wie viel stade Zeit mein eigenes Kind in dem Trubel eigentlich noch zu spüren bekommt, ob die Erlebnisse, die die Schüler:innen entlang der verschiedenen Ereignisse machen können, den Aufwand rechtfertigen, und ob wir Erwachsenen in der Hektik die notwendige Innerlichkeit aufbringen können, um all die Ereignisse mit Substanz zu füllen.
Und dann ist da das Wunder Zeit! In all der Hektik kann mit einem Mal eine Insel der Entschleunigung entstehen, auf der sich Sekunden zu Ewigkeiten dehnen. Die Kunst des Adventsgärtleins ist es, jedem Kind von der Gemeinschaft getragen «seine Ewigkeit», seinen Weg ins Innere der Spirale und wieder zurück zu ermöglichen.
Bei welchem Ereignis Schüler:innen in eine tiefe Verbindung mit dem Geschehen eintreten, haben wir als Pädagog:innen freilich nur bedingt in der Hand. Doch können wir mit feinem Gespür und klarer Haltung einen Raum gestalten, in dem Eintauchen ins Geschehen möglich wird. So habe ich einen Erstklässler erlebt, der vom montäglichen Adventssingen der Mittelstufe so ergriffen war, dass er abgeholt werden musste und eine Woche nicht in die Schule kommen konnte. Solche Erlebnisse können Brücken zum eigenen Entwicklungsimpuls sein: Ein sehr lebhafter Schüler erinnerte nach dem Weihnachtsspiel vor allem die Dauer, mit der der Engel voll der Würde kerzengerade und ruhig gestanden hatte. Eine Schülerin, der man bisweilen mehr Schutz für ihr empfindsames Wesen wünschte, «vergaß» der Maria einen blauen Mantel zu malen. Ein Ansatz für die Kunsttherapeutin!
Und dann bleibt noch die Frage, wie sieht eine gelungene Adventszeit eigentlich für die obere Mittelstufe und die Oberstufe aus, wenn Schüler:innen betont nicht mehr an Gott glauben, aber ebenso hungrig auf Substantielles wie auf Plätzchen sind? Hier entscheidet sich für mich viel von der Qualität einer Waldorfschule und ihres Kollegiums, wenn es beispielsweise gelingt, einen Kerngedanken zu finden, um den eine Oberstufenfeier entwickelt werden kann, die nicht nur Tradition und Gemeinschaftsgefühl bedient, sondern den Keim bei den Schüler:innen nährt, im Sinne des Weihnachtsgeschehens in der Welt tätig werden zu wollen.
Insofern möchte ich uns Lehrer:innen darin bestärken, die Weihnachtszeit an der Schule unbedingt für gestaltete Begegnung mit dem Weihnachtsgeschehen zu nutzen. Ob es aber die Fülle der Ereignisse sein muss, darüber darf man sich meines Erachtens getrost streiten.
Ausgabe 12/24
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