Monatsmeinung

Bilder als Botschaften

Angelika Lonnemann

In der Waldorfschule, die meine Töchter besuchten, habe ich in jener dunklen Jahreszeit immer wieder Geschenke bekommen – Momente der Ruhe, Vorfreude, der Ergriffenheit. Das konnte während des wuseligen Adventsbasars im Klassenzimmer der dritten Klasse sein, wo einzelne Kinder im dunklen Raum der Nussschiffahrt kleine Walnuss-Kerzenschiffchen mit Holzsstäben schoben. Zu hören war nur das Flüstern der Kinder und zarteste Leiertöne. Oder während des Adventskonzerts, für das es  den Musiklehrer:innen Jahr um Jahr gelang, aus pubertierenden Generalverweigerern Sänger:innen zu machen, die den Eltern Tränen der Rührung in die Augen trieben.

Unvergesslich ist mir das erste Christgeburtsspiel, das ich als Erwachsene sah. Die Szene, in der der Engel, der hinter Maria steht, das nur in meiner Fantasie sichtbare Neugeborene aus dem Himmel holt und Maria in den Schoß legt, berührte mich sehr. Ein Urbild für das Wunder neuen Lebens, die Liebe und die Verbindung des Menschen mit dem Göttlichen.

Bilder machen fröhlich oder trösten, sie erschrecken oder verängstigen uns. Sie haben Kraft, uns ohne Worte Botschaften zu übermitteln. An Waldorfschulen gibt es ein großes Repertoire an archetypischen Bildern, die unseren Kindern und uns bewusst und beiläufig begegnen. In dieser Erziehungskunst erzählen uns Lehrer:innen, wie sie diese Bilder im Unterricht oder für den Jahreszeitentisch, in Erzählungen und Liedern benutzen, um die Botschaften von Heldinnen und Entdeckern, Kämpferinnen und Denkern, Vergebung und Liebe zu übermitteln. Friederike Gläsener berichtet von Entwicklungsbildern, die im Lauf der Jahresfeste Mut machen. Sven Saar beschreibt, wie überall auf der Welt Menschen bestrebt sind, sich kulturell und moralisch mit Bildern zu erziehen und wie Waldorflehrer:innen auch mit dem Zeugnisspruch wiederkehrende Rituale schaffen. Stefan Grosse weist unter anderem darauf hin, dass die in der Schule genutzten Bilder gerade für Jugendliche authentisch sein müssen, damit sie ankommen. Christof Wiechert führt aus, wie in der Waldorfpädagogik neben dem faktischen Lernen immer mittels des Bildes das Wesenhafte, das Typische, in den Lernvorgang einbezogen wird. Und Hiltrud Kamolz berichtet, wie sie in ihrem Klassenzimmer den Jahreszeitentisch im Kreislauf des Jahres mit sinnhaften und moralischen Geschichten verbindet.

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und einen bildkräftigen Dezember!

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