Geburtstagssignale aus Dornach

Mathias Maurer

Liebe Leserin, lieber Leser,

»Wo fährst du hin?«, fragt frühmorgens der Junge seinen eiligen Vater. »Ich fahre nach Dornach.« – »Dornach? Ist das bei Stuttgart?« – »Nein, in der Schweiz.« – »So weit weg?« – »Ja, über zweihundert Kilometer« – »Und was machst du da?« – »Ich fahre zu einer Pressekonferenz. Da wird der Geburtstag von Rudolf Steiner schon mal vorgefeiert.« – »Wie alt ist Rudolf Steiner?« – »Hundertfünfzig Jahre.« – »Was, so alt? Das geht doch nicht! Menschen werden doch nicht so alt!« – »Das stimmt, das werden sie in der Regel nicht. Aber Steiner wäre bald hundertfünfzig geworden.« – »Ah, ist er so was wie ein Geist, der nicht stirbt? Kennst du ihn?« ...

»Warum hat man Rudolf Steiner nicht längst schon vergessen«, fragt Michela Glöckler, Mitinitatorin der internationalen Pressekonferenz und Leiterin der Medizinischen Sektion am Goetheanum, zum Auftakt des Jubiläumsjahres Steiners die dreihundert Gäste aus aller Welt, »sodass sogar der öster­reichische Bundespräsident Heinz Fischer die Schirmherrschaft übernimmt?« Tatsächlich, die Zeit scheint vorbei, Rudolf Steiner nur den Anthroposophen zu überlassen, wie Markus Brüderlin, Leiter des Museums Wolfsburg, zur Ausstellung »Rudolf Steiner und die Kunst der Moderne« bemerkte.

Steiner gehöre als bedeutender Vordenker des 21. Jahrhunderts in das allgemeine Kulturleben und müsse hierfür als Inspirator neu entdeckt und gedacht werden.

Ist Anthroposophie ohne Steiner denkbar? Wie sieht die Beziehung der weltweit über tausend Waldorfschulen zu ihm heute aus? Christof Wiechert, scheidender Leiter der Pädagogischen Sektion am Goetheanum: »Man braucht tatsächlich keinen esoterischen Überbau, sondern was entscheidet, ist die Qualität im konkreten pädagogischen Vollzug. Jeder Schüler ist so gut wie sein Lehrer«. Darauf komme es an, nicht auf Kanonisierung, die »die Form für den Inhalt nimmt«. »Wir müssen weg von den Formen und Gewordenheiten hin zum Können, und für das Können ist Steiner unverzichtbar«. Sein Nachfolger Florian Oswald ergänzt: »Wir brauchen Befähigung statt einen Lehrplanrucksack«. Marcelo da Veiga, Rektor der Alanus Hochschule, geht noch einen Schritt weiter: »Steiner hat seine Selbstauflösung selbst prognostiziert. Anthroposophie wird den Menschen einst wie ein Märchen vorkommen«.

... Ob ich Steiner kenne?, fragte mich mein Junge. »Nicht direkt, aber das ist wie mit Oma: Einerseits ist sie gestorben, aber nicht vergessen. Um uns herum erinnert uns noch Vieles an sie. Nein, ein Geist stirbt eigentlich nicht.« – »Kommt er dann auch zur Geburtstagsfeier?« – »Naja, wenn wir ihn entdecken ...«

Aus der Redaktion grüßt

Mathias Maurer