Keine Angst

Mathias Maurer

Die Tageszeitung liegt auf dem Stuhl. »Sind das Soldaten?«, fragt Lena (8) und zeigt auf das Titelfoto. Bevor ich antworten kann, gleich weiter: »Bekommen wir wieder Krieg?« – »Wie kommst du denn darauf?«, frage ich überrascht. »Das sagen alle in der Klasse.« Nicht mal mehr die Zeitung darf man herumliegen lassen, schießt es mir durch den Kopf, und ich weiß im gleichen Moment, das ist auch keine Lösung. Auch das Interesse von Hannes (5) ist jetzt geweckt: »Haben die Gewehre oder Schwerter?«

Wie kann ich mit Kindern über Terror sprechen?, denke ich. Eine leise Verunsicherung hat sich schon breit gemacht: Sitze ich im Zug oder im Flugzeug, schaue ich die Fahrgäste heute anders an. In einigen Staaten sind Ausnahmezustände schon Normalzustände. Selbst der Unbedarfteste bekommt etwas mit, wenn Fußballspiele abgebrochen oder abgesagt werden. Neueste Umfragen zeigen: 28 Prozent haben Angst vor Terroranschlägen (2014 waren es 17 Prozent).

»Wer erzählt denn das in der Klasse?«, frage ich. »Habt ihr darüber gesprochen?« – »Nein, aber der Julian und der Michel haben es im Fernsehen gesehen. Und sein Bruder Moritz hört morgens immer die Nachrichten im Radio. Papa, warum machen die das?« Lena lässt nicht locker. »Moment, komme gleich«, sage ich. Kurze Bedenkminute beim Holz nachlegen. Schon das Flüchtlingsthema beschäftigt die Kinder seit geraumer Zeit. Am Bahnhof unübersehbar, ein paar Straßen weiter in den Containern, die Erwachsenen reden davon. »Wo sollen die alle hin, wir haben doch gar keinen Platz mehr in unserem Haus?«, fragte mich Lena schon einmal. Sie nahm es konkret. Konkret sollte auch meine Antwort sein: »Dann rücken wir eben zusammen. Wenn jeder einen aufnehmen würde, wäre noch viel Platz.«

Jetzt setze ich mich wieder an den Tisch und sage: »Weißt du, wenn Menschen nicht mehr ein noch aus wissen oder in Not sind, können sie entweder sehr traurig oder sehr wütend werden, richtig böse und fügen anderen Menschen Schaden zu. Und was können wir machen? Wir können uns nur besinnen, ruhig bleiben und den Menschen helfen, nicht mehr traurig, wütend oder böse zu werden.«

Das sage ich meinen Kindern. Aber innerlich bleibt ein Gefühl der Verletzlichkeit, der Hilflosigkeit und Ohnmacht gegenüber dem Terror. Doch Antoine Leiris’ Botschaft aus Paris auf facebook bricht die Lähmung auf: »Freitagnacht habt ihr ein außergewöhnliches Leben beendet – die Liebe meines Lebens, die Mutter meines Sohnes – aber meinen Hass werdet ihr dafür nicht bekommen.«

Wir blicken zurück, wir blicken nach vorne, wir wollen Zukunft gestalten, so auch mit diesem Heft zum Thema »Schule & Beruf«.