Verdummen wir digital?

Mathias Maurer

Liebe Leserin, lieber Leser,

im Internet wird eingekauft, Geld verdient, heiß diskutiert, gespielt und geliebt – virtuell und mit wachsendem Erfolg. Der paradoxe Effekt: virtuell kommunikativ ist der Nutzer meist allein, redet kaum und fasst nichts mehr an. Alles geschieht im Kopf, in der Vorstellungswelt. Alles geht leicht und schnell, der Wille erlahmt. Man hat alles auf Knopfdruck und nebenher, man kocht und surft, schreibt E-Mails und telefoniert gleichzeitig, chattet, schaut einen Film und isst dabei. Multitasking – die Attitüde pausenloser paralleler Geschäftigkeit und Ansprechbarkeit weist den modernen Menschen auf der Höhe seiner Zeit aus. Doch der multimediale Dauerzugriff verändert nicht nur die Aktivitätsmuster unseres Gehirns, sondern auch unser Lern- und Sozialverhalten. Das zeigen die Untersuchungen von Gary Small von der University of California in Los Angeles, die Martin Korte, Neurobiologe an der Technischen Universität Braunschweig, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 30. April diesen Jahres kommentierte.

Demnach beeinflusst und strukturiert der Internetkonsum eine der Kommandozentralen des Gehirns, die dafür zuständig ist, wie wir Probleme lösen, Emotionen erkennen und kontrollieren, uns konzen­trieren und Bedürfnisse zugunsten langfristiger Ziele aufschieben können. Der Internetgebrauch fördere zwar die punktuelle analytische Leistungsfähigkeit, das visuelle Erkennen und die Fähigkeit, viele Dinge gleich­zeitig zu tun, aber man macht nichts mehr richtig gut und mit der angemessenen Vertiefung, man rutscht sozusagen über die Zwischenschritte hinweg und ist gleich beim Ergebnis.

Die Kapazität unseres »Arbeitspeichers« ist gering. Wenn er mit Multitasking-Nebensächlichkeiten voll ist, sind wir nur noch schwer in der Lage, uns zu konzentrieren und ablenkende Gedanken und Sinneseindrücke auszuschalten. Wir verzetteln uns. Und schon das Warten auf eine E-Mail lässt uns deutlich weniger effektiv arbeiten. Die Fehleranfälligkeit unseres Denkens und Handelns nimmt zu. Internet­wissen verhindert letztendlich – so Korte – wirkliches Wissen, denn Information ist noch nicht Wissen, oder gar Denken, das kritisch selektiert und die Informationen in einen sinnvollen Zusammenhang bringt.

Das Internet vermittelt uns keine Empathie oder Erfahrung von Zusammenhang. Diese erwerben wir nur im wirklichen Leben. Wir lernen besser, wenn wir in der Wirklichkeit sind.

Aus der Redaktion grüßt

Mathias Maurer