Weil!

Mathias Maurer

Liebe Leserin, lieber Leser!

Gebrauchtes Geschirr stapelt sich im Zimmer, die auf dem Boden verstreuten Kleidungsstücke und Handtücher bilden verschieden hohe Haufen, garniert mit massiv duftenden Pflegemitteln für Haut und Haar, CDs und Föhn dazwischen, Laptop und Handy im Onlinestatus auf dem zerwühlten Bett. Wer trotzdem das Zimmer betritt, um vielleicht einmal zu lüften, muss waten oder von begehbarer Insel zu Insel springen. Was allerdings aus dem Zimmer herauskommt, ist wie aus dem Ei gepellt, in unterschiedlichen Stilen gestylt und (nahezu) makellos. Alles sitzt bis auf die letzte Haarsträhne … Ready to go! Die Türe schlägt, als hätte sie keine Klinke.

Der gelegentliche, noch freundliche Vorschlag, einmal Großputz zu machen, verpufft im Nichts. Auf die schon leicht genervte Frage, wie man sich in einem solchen Saustall wohlfühlen kann, ist die häufigste Antwort: »Weil!« Lässt man sich von einer solchen aussagekräftigen Äußerung nicht abschrecken und bittet verständniserheischend um eine Erklärung, ist die zweithäufigste Antwort: »Keine Ahnung.« Ist der Wille zum Dialog immer noch ungebrochen, sucht das »vernünftige« partnerschaftliche Gespräch, ist die dritthäufigste Antwort: »Das checkst Du ja eh nicht.«

Erwachsene sollten ihre verzweifelte Hoffnung aufgeben, Jugendliche mit ihrer Erwachsenenlogik in den Griff zu bekommen. Das entspräche nicht der zwiespältigen Seelenlage dieser wunderbaren Spezies, in der Widersprüchliches logisch ist. Schon der Versuch, Jugendliche zu verstehen, ist dem »Beobachtungs­-gegenstand« nicht angemessen. Sie wollen nicht verstanden werden, sie wollen keine Brücken bauen, siewollen die Abgrenzung von den »Alten«, das undiskutierbare Andere sein. Alles verstehende Gut­menschen sind eine Qual für sie und entfachen ihren Provokationseifer umso stärker. 

Jugendliche prüfen das Erwachsensein der Erwachsenen, klopfen sie auf ihre menschliche Verlässlichkeit jenseits gesellschaftlicher Konventionen ab, bauen darauf, dass man sich, wie wild sie sich auch gerieren mögen, nicht von ihnen abwendet.

Ausgesprochen mag sein: »Ich hasse Dich!« Gefühlt mag sein: »Verlasse mich nicht!«

Insofern macht das Verhalten Jugendlicher Sinn und ist ziemlich vernünftig. Denn der Weg der Individualisierung ist einzigartig und folgt keinem Erklärungsmuster. Wir sollten sie nicht verstehen müssen, sondern einfach nur lieben.

Aus der Redaktion grüßt

Mathias Maurer