»Ehemalige« über die Windrather Talschule

»Ich fand es stark, dass man im WTK mit Leuten gearbeitet hat, die eine Behinderung haben. Und eben nicht mit der Betonung, dass die behindert sind und tralala …, sondern einfach auch die Vorzüge zu sehen von denen. Dass die in anderen Bereichen Dinge können und oft sehr gut können und dass sie sehr liebenswürdig sind und dass man sie nicht abschreiben darf als Mensch. Dass man ihnen auch was zutrauen kann.«

»Mir persönlich lag auch immer viel an der sozialen Dynamik der Schule. Gegen Ende der 10. Klasse wollte ich mal in einer anderen Schule hospitieren, weil ich überlegt habe: ›Will ich das Talkolleg machen oder gehe ich doch auf eine andere Schule?‹ Und ich war da zwei Tage und dann habe ich das abgebrochen, weil ich war in dieser Klasse und dachte: ›Mein Gott! Wie kann man denn so nur seine Schulzeit überstehen?‹, weil bei uns in der Schule und vor allen Dingen bei uns in der Klasse …, bei uns gibt es kein wirkliches Mobbing. Klar gibt es das, dass jemand jemanden anderen nicht so mag. Aber es gibt kein wirkliches Mobbing. Menschen werden auf eine ganz andere Weise integriert – egal jetzt ob mit Behinderung oder nicht. Und das ist so eine Sache, die an der Schule ganz groß geschrieben wird und die für mich persönlich immer ganz wichtig war.«

»… aber so im Alltäglichen war es mir schon gar nicht mehr bewusst, dass das eigentlich etwas Besonderes war. Es fällt einem erst dann auf, wenn andere auch einfach anders über Behinderte denken oder das nicht für normal ansehen, dass die mit einem zusammen in die Schule gehen und dann fragen: ›Ach, geht das?‹ und: ›Haben die nicht gestört? War das nicht alles total schwierig?‹ Und das war es halt nicht und dann merkt man: Eigentlich total gut! Man lernt da auch selbst etwas davon …. Da sind wirklich Freundschaften entstanden, was ja andere Leute nicht so haben. Und das finde ich schon schön, einfach!«

Die GAB fasst im Rückblick zusammen, dass im Blick auf ihre Schulzeit die Befragten insbesondere das Konzept der Inklusion als wesentliche Bereicherung und Anregung für ihr weiteres berufliches und persönliches Leben hervorheben. Sie sind dankbar für die Erfahrung und Erkenntnis, die ihnen die Zeit am WTK vermittelt hat, dass ein gemeinsames Lernen und soziales Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung etwas Normales und Selbstverständliches sein kann und einen Gewinn für alle Beteiligten darstellt.

Bei den Menschen mit Behinderung unter den Befragten fiel beim Telefoninterview mit der GAB der selbstbewusste und offene Umgang mit ihrer Behinderung auf. So bat z.B. eine dieser Befragten die Interviewerin auf die Frage hin, in welchem Jahr sie das Windrather Talkolleg verlassen habe, zunächst mit der Antwort: »Lassen Sie mich kurz rechnen!« kurz um Geduld und nahm so für sich selbst aktiv den Druck aus der Situation. An anderer Stelle fragte sie: »Was meinen Sie jetzt damit?« und forderte von der interviewenden Person Klarheit ein, statt mit einer Äußerung wie »Das habe ich nicht verstanden« die »Schuld« bei sich zu suchen. Als ein weiteres Anzeichen für den offenen und selbstbewussten Umgang mit ihrer Lernschwäche kann gewertet werde, dass die Befragte an passender Stelle dem Gesprächspartner ihr Handicap erklärte und damit zugleich große Sozialkompetenz bewies.

Im Jahr 2010 hat für die Wochenschrift »Das Goetheanum« (Nr.40/41) Sebastian Jüngel ebenfalls einige Interviews mit ehemaligen Schülerinnen und Schülern geführt. Daraus zwei Schülerinnen:

»In den höheren Klassen fällt es mehr auf, dass wir Menschen mit und ohne Behinderung waren. Einer unserer Klassenkameraden konnte nur wenig lesen; während wir über J. W. Goethes ›Faust‹ diskutierten, war er während der gesamten Unterrichtszeit anwesend und begann letztlich neben unserem Gespräch zu malen. Er stellte das dar, was er von der Geschichte und unseren Diskussionen aufnehmen konnte. Die so entstandenen Bilder waren großartig. Und er war auch in der Lage, auf seine Weise darüber zu sprechen, was er gemalt hatte … Es gab auch durch die Inklusion zum Teil ganz neue Blickrichtungen. So gab es Beiträge, die für uns zunächst überraschend waren, bis wir den Sinn erkannten … Ich denke, durch die Inklusion hat sich das Sozialverhalten bei uns allen verändert.«

»Die Eigen- und Besonderheiten waren eben einfach da und man lernte ganz selbstverständlich damit umzugehen, so wie man auch die Individualität der Mitschüler ohne Behinderung … akzeptieren und tolerieren musste – was für mich oft weitaus schwieriger war – eigentlich merkwürdig, da man doch meinen könnte, gelernte Toleranz ließe sich dann auch auf andere Bereiche übertragen …. Vielleicht kann ich es so sagen: Ich finde es gut, gelernt und erfahren zu haben, dass man Menschen mit Behinderung nicht mit ›Samthandschuhen‹ anpacken muss. Wenn man mal genervt oder verärgert ist, so ist dieses Gefühl genauso erlaubt und berechtigt, wie es einem nichtbehinderten Menschen gegenüber auch ist. Ein derartig integratives Miteinander habe ich nach dem Verlassen der WTS nicht mehr erlebt.«