Ein Selbstversuch

Johannes Roth

Eine junge Frau, aufgewachsen noch in der DDR, erlebt an der überladenen Kaffeetafel ihrer Großeltern den bedrückenden Überfluss, das latente Unwohlsein an unserer Kultur der unbegrenzten Möglichkeiten. Unter diesem Eindruck und der in der Wirtschaftskrise der letzten Jahre gewachsenen Gewissheit, dass die Wachstumsspirale womöglich bald abrupt auch bei uns zu Ende gehen könnte, beschließt sie, herauszufinden, wie sie ein Leben »nach dem Crash« wohl meistern könnte und verzichtete ein Jahr lang freiwillig nach Möglichkeit auf jeden Warenkauf.

Taubert macht sich auf und erkundet, welche Mittel und Wege schon jetzt vorhanden sind, interviewt »Prepper«, die sich mit Bunkern und Notfallausrüstung für den Überlebenskampf aller gegen alle vorbereiten, besucht Individualisten, die ihr Glück allein im Sammeln von Waldkräutern und Pilzen suchen. Es sind sehr besondere, für sich vollständig glückliche Menschen, die sich auch von der Überzeugung nähren, das richtige Leben zu führen. Aber ihr begegnet auch das Einseitige solcher Unternehmungen. Ihr Fazit: Das Heil darin zu suchen, dass jede(r) nur an sich denkt, ist eben kein zukunftsweisender Weg.

Taubert ist gegen große Widerstände – sei es Kälte, sei es zehrender Hunger – ihrem Vorhaben treu geblieben, was schon für sich bewunderungswürdig ist, nicht zuletzt angesichts der vielen Wechsel von Orten und Umständen, denen sie in diesem Jahr unterlag: Bis nach Spanien ging diese Orientierungsreise, in deren Verlauf die Autorin immer mehr bemerkte, welche Chancen in neuen, gemeinschaftlichen Konzepten und Lebensentwürfen liegen: »Ohne Geld entdecke ich andere Währungen – wie Freundlichkeit, Respekt, Hilfsbereitschaft, Offenheit, Kommunikation«. Vom Vermeiden allein kann der Mensch nicht leben, und durch die Werte, denen sie auf ihrer Suche begegnet ist, gerät ihre Fastenzeit recht eigentlich zu einer Rüstzeit.

Wir können den Umständen, in denen wir leben, nicht in einem Sprung gewaltsam entfliehen, wohl aber uns an eine Evolution anschließen, deren Ziel es sein muss, menschengemäße Formen zu finden. – Wer nach solchen Wegen sucht, wird in diesem faszinierenden Buch viele Einsichten und Anregungen finden.

Greta Taubert: Apokalypse jetzt! Wie ich mich auf eine neue Gesellschaft vorbereite. Ein Selbstversuch, Taschenbuch, 240 S., EUR 16,99, Bastei Lübbe, Köln 2014

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