Ein Studienbuch zur Jugendpädagogik

Holger Grebe

Das Studienbuch ist bestens geeignet, diesem Dilemma zu begegnen. In vier Kapiteln wird die anthroposophische Jugendpädagogik geschichtlich eingeordnet. Darüber hinaus werden zahlreiche

Arbeits­anregungen für den Umgang mit Jugendlichen gegeben und Zukunftsaufgaben für das 21. Jahrhundert formuliert. 36 Auszüge aus Schriften und dem Vortragswerk Rudolf

Steiners, darunter der »Pädagogische Jugendkurs« von 1922 und Spruchdichtungen, geben dem Leser Studienmaterial an die Hand. Die Quellentexte werden knapp eingeführt und zurückhaltend kommentiert. Ein umfangreiches Literaturverzeichnis, das auch Zeitschriften und Webseiten zu Jugendfragen berücksichtigt, schließt das benutzerfreundliche Werk ab. Es eignet sich damit ebenso zum Selbststudium wie zur kollegialen Arbeit. Es spricht junge

Kolleginnen und Kollegen genauso an wie erfahrene Pädagogen, die dankbar sein werden, wenn anthroposophische Jugendforschung auch vor dem Hintergrund des gegenwärtigen Wissenschaftsdiskurses beleuchtet wird.

Jeder neue Mensch ist ein Rätsel, an dem man arbeiten muss. Dieser Auftrag durchklingt das Studienbuch auch in den Begleittexten. So regt Angelika Wiehl den Pädagogen an, in einem pädagogischen Tagebuch Beobachtungen über die individuelle Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu sammeln. Oder sie gibt einfühlsame Hinweise zu einer Verwandlung der Kinderbesprechungen für das Jugendalter, indem Heranwachsende etwa ab dem zwölften Lebensjahr in die Gespräche über ihren Bildungsgang einbezogen werden. Ein differenzierter Vorschlag für den Ablauf solcher »schöpferischen Entwicklungsgespräche« rundet das Projekt ab – verbunden mit der Mahnung an Eltern und Pädagogen, auf die Mitteilung von Meinungen ganz zu verzichten. Die Potenziale der Waldorfpädagogik werden in Zechs Schlussbetrachtung vor dem Hintergrund einer konfliktreichen politisch-gesellschaftlichen Gegenwart beleuchtet. Die umgebende Welt, so Zech, werde »bedrohlich und unkalkulierbar, das Irrationale scheint auf dem Vormarsch«. Demgegenüber lässt sich anthroposophische Jugendpädagogik als offener Gestaltungsraum verstehen. Er ermöglicht dem Heranwachsenden einen »Prozess personaler Transformation«. Damit orientiert sich diese Pädagogik an einer kulturell offenen Gesellschaft, die dem Individualismus, der Rechtsstaatlichkeit, der biosphärischen Verantwortung und der sozialen Gerechtigkeit verpflichtet ist.

Das Studienbuch zur Jugendpädagogik kann helfen, die konkrete Arbeit in den Oberstufenkollegien spirituell zu befruchten, damit der Tendenz zu Anpassung und Routine wieder mehr Eigenes entgegengestellt wird.

Angelika Wiehl/M. Michael Zech (Hrsg.): Jugendpädagogik in der Waldorfschule, Tb., 334 S., EUR 15,–, Pädagogische Forschungsstelle, Kassel 2017