Der Leserbrief »Die esoterische Grundlage würdigen« geht an dem eigentlichen Thema vorbei, dass nämlich mit dem Erscheinen des Buches »Waldorfpädagogik und Erziehungswissenschaft«, herausgegeben von Jost Schieren, doch Bedeutendes geschehen ist. Es ist nach ersten Versuchen von Stefan Leber und Ernst-Michael Kranich das erste Werk, das sich umfassend der schwierigen Aufgabe stellt, die Waldorfpädagogik der pädagogischen Regelwissenschaft zu erklären. Niemand kann mehr behaupten, dass das von uns aus nicht wenigstens versucht worden ist, womit ein langandauernder Vorwurf entkräftet werden kann. Diese Tatsache sollte von der ganzen deutschen Waldorfwelt gewürdigt werden.
Was dem Herausgeber ansonsten in diesem Leserbrief indirekt unterstellt wird, darauf sollte man lieber gar nicht eingehen. Nur bin ich erstaunt, dass damit wohl (wieder) Gelegenheit gegeben wird, neue Legendenbildungen festzuschreiben.
So lesen wir, als die Freie Hochschule gegründet wurde, dass »das Lehrerkollegium der Stuttgarter Schule komplett als Mitglied in sie aufgenommen« wurde, damit andeutend, das Lehrerkollegium sei dazu ohne Weiteres qualifiziert.
Der wirkliche Vorgang sieht aber anders aus. Nachdem Steiner in der Konferenz am 5. Februar 1924 seitenlang erklärt, dass die Institution Waldorfschule nicht Teil der Hochschule sein kann und soll, denn dann »würde die Waldorfschule eine anthroposophische Schule werden, auch äußerlich formell eine anthroposophische Schule werden« (GA 300c, S. 112), dauerte es einige Zeit, bis verstanden wurde, dass das nicht geht. Als das jedoch geklärt war, stellt Steiner die Lehrer vor die Wahl (denn das Kollegium möchte Mitglied der Hochschule werden): »Begnügen sich die Lehrer der Schule damit, als Einzelne der freien Hochschule in Dornach anzugehören, oder wollen Sie als Kollegium Mitglied werden, so dass jeder beitritt mit dem Charakter ›als Lehrer der freien Waldorfschule‹« (GA 300c, S. 119).
Das heißt, das Lehrerkollegium hatte sich selbst einzuschätzen und dann zu entscheiden. Es war also eine Initiative des Lehrerkollegiums, es so zu wollen.