»The man who walked« betitelte der »Telegraph« sein Interview mit dem Mann, der im Frühsommer 2011 mit 96 Jahren sein Leben als einer der größten Reiseschriftsteller des 20. Jahrhunderts beschloss.
Patrick Leigh Fermor, Sohn eines Naturforschers und einer Theaterautorin, zunächst mehrfach wegen notorischer Disziplinlosigkeit der Schule verwiesen, später gefeierter und verfilmter Kriegsheld, beschloss mit achtzehn Jahren bei seiner Musterung in London, zu Fuß »nach Konstantinopel« zu gehen, das schon damals Istanbul hieß. Er begann seinen Fußweg im Winter 1933 in Hoek van Holland, und der führte den englischen »Studenten«, als den er sich ausgab, unter anderem durch Deutschland, wo er das Aufkommen des Nationalsozialismus zugleich mit der Gastfreundschaft deutscher Herbergseltern erleben konnte. In Ulm gelangte er an die Donau, deren Lauf er viele Hunderte Kilometer durch Österreich, Ungarn und Rumänien folgte.
Als er in Wien aus Geldmangel begonnen hatte, seine Dienste als Porträtzeichner anzubieten, kam er in Kontakt mit Angehörigen verarmter Adelsfamilien, die ihm Empfehlungsschreiben an ihre östlichen Verwandten mitgaben, und so lebte er fortan in ständigem Wechsel zwischen fürstlichen Empfängen in vornehmer Gesellschaft und entbehrungsreichen Nächten in Gesellschaft von Hirten und Tagelöhnern.
Erst vierzig Jahre später begann Paddy, wie ihn seine Freunde nannten, seine Reiseerlebnisse niederzuschreiben, nachdem er sich mit seiner Frau Joan in Kardamili auf der Mani-Halbinsel im Süden des Peloponnes niedergelassen hatte, und es wurde das Hauptwerk eines Autors, den die englische Akademie der Wissenschaften zu den zehn »Companions of Literature« zählt, neben Bruce Chatwin zu einem der großen Stilisten der englischsprachigen Reiseliteratur. An der Fertigstellung des dritten Bandes, der den letzten Teil der Wanderung vom Eisernen Tor bis nach Konstantinopel beinhalten sollte, arbeitete Fermor mit nie ermüdender Kraft, und lernte dafür sogar mit 90 Jahren noch, Maschine zu schreiben. Im Herbst des letzten Jahres erschien nun posthum die deutsche Übersetzung des – unvollendeten – dritten Bandes, wo unter anderem Fermors erste Begegnung mit den Griechen am Ufer des Schwarzen Meeren geschildert wird, die wie kein anderes Volk sein weiteres Schicksal bestimmen sollten.
Im zweiten Weltkrieg im besetzten Kreta als Untergrundkämpfer an der spektakulären Entführung des Generals Kreipe beteiligt, wurde er für die Griechen zum Volkshelden. Später erschienen mit »Mani. Reisen ins unbekannte Griechenland« und »Rumeli« zwei der mit Abstand besten Bücher über Hellas, die ich kenne. Fermors Bücher vermitteln dem Leser mehr als nur stimmungsvolle, farbenprächtige oder sprachgewaltige Berichte über Gesehenes und Erlebtes; sie lassen ihn zwischen den Zeilen an einem tiefen, unstillbaren Interesse an allen Lebensäußerungen der verschiedenartigsten Menschen teilnehmen, die ihm auf seinen Wegen begegnet sind.
Colin Thubron und Artemis Cooper (Hrsg.): Die unterbrochene Reise. Zu Fuß nach Konstantinopel: Vom Eisernen Tor zum Berg Athos. Der Reise dritter Teil, geb., 500 S., EUR 26,–, Dörlemann Verlag, Zürich 2013