Johannes Matthiessen – Künstler der Erde. Ein Nachruf

Christof Wiechert

Nach einer Stunde Gespräch mit Johannes konnte man richtig erschöpft sein, er aber brannte und glühte vor Begeisterung, Menschen zusammenzuführen, geschichtliche Wunden, die in die Erde geschlagen waren, zu heilen und dasselbe zu tun an jungen Menschen, denen das Schicksal zu große Hürden auf den Lebensweg gestellt hatte.

So sah man Johannes mit Gefangenen künstlerisch arbeiten, in großen Industriebetrieben Lehrlinge auf dem Weg über die Kunst die fehlende Allgemeinbildung vermitteln und an den Waldorfoberstufen unterrichten.

Seiner Seele aber waren die Wände der Schule zu eng und so begann seine Tätigkeit in der Welt. Dort, wo Mensch und Erde aneinander oder miteinander Schaden genommen hatten, trat er symbol-realistisch heilend auf. Sei es, dass er in einer heruntergekommenen polnischen Industriestadt die Straßen mit Bäumen bepflanzte, sei es, dass er in einer amerikanischen Großstadt die geschleiften Häuser in grüne Spielflächen für Kinder verwandelte, sei es, dass er den Aborigines um den Ayers Rock im Herzen Australiens durch Steinmetzarbeit eine Aussicht auf ein menschenwürdiges Dasein gab oder dass er in Griechenland, wo sich im Zweiten Weltkrieg Schreckliches mit Erde und Mensch abgespielt hatte, Stelen mahnmalartig in der Landschaft aufstellte. Diese menhirartigen Steine zeigten wunderbare, gehauene Formenzeichnungen. Das alles machte er mit jungen Leuten vor Ort, Waldorfschülern oder Studenten, mit allen, die gerade zur Verfügung standen.

All diese Aktionen wurden von ihm organisiert und auch finanziert. Er hatte neben seiner Künstlerschaft, oder vielleicht wegen dieser, die Fähigkeit, Bürgermeister, Senatoren, kurz die lokale Obrigkeit für diese realsymbolischen Aktionen zu gewinnen – Aktionen, die seelische wie landschaftliche Regeneration versprachen.

So kann es einen sehr bewegen, solche als »Zeichen« aufgerichtete Monolithe in China an der Schule in Chengdu zu sehen, aber auch an einer kleineren Schule in Hamburg-Bergedorf oder in Bad Kleinkirchheim in Österreich oder eben in Chicago oder New Orleans. Der Orte sind zu viele, um sie alle aufzuzählen. Die rein physische Arbeitsleistung ist eine ungeheure. Und wie es dann oft mit großen Künstlern geht: Erst die Nachwelt wird das Staunen lernen über das, was geleistet wurde und geschehen ist.

Sein letztes großes Projekt war seine Krebserkrankung. Er nahm sie an, durchlief all ihre Stadien und deren Heilungsversuche, wie die moderne Medizin sie kennt, und hat davon in einigen Büchern getreu Rechenschaft abgelegt durch großflächige Zeichnungen, die zum Ausdruck bringen, was eine solche Krankheit an Leib und Seele anrichtet. Bewusst schritt er im Spätsommer über die Schwelle.