Licht der Menschlichkeit

Nana Goebel

1996 eröffnete die erste Waldorfschule in Thailand. Wie kam es dazu? Janpen und Porn Panosot studierten beide an der Chulalongkorn Universität. Für das Studium hatte der in Sukhotai geborene und nicht in privilegierten Verhältnissen aufgewachsene Porn aufgrund seiner exzellenten Schulabschlüsse ein Stipendium bekommen.

Beide waren an der Universität bereits Aktivisten; sie gaben nach dem Militärputsch eine der bekanntesten Untergrundzeitungen heraus. Ende der 1980er Jahre begleitete Ingrid Liebig-Hundius ihren Mann Harald Hundius, einen auf Bergdialekte im Norden von Thailand und Laos spezialisierten Professor für Orientalistik an der Universität Passau, bei einem Forschungsaufenthalt.

Sie führte immer wieder Gespräche zu Bildungsfragen, sowohl in Bangkok als auch in Chiang Mai. Während einer dieser Begegnungen ergab sich ein Gespräch mit Janpen und Porn Panosot. Beide waren schon in dieser Zeit sozial aktiv. Porn arbeitete damals tagsüber an einem staatlichen Hospital als Kinderarzt. Er kümmerte sich um die medizinische Versorgung missbrauchter Mädchen, half beim Aufbau einer Anlaufstelle für missbrauchte Kinder mit und wurde Gründungsmitglied der »Child Protection Foundation«, die später für bis zu hundert Kinder eine Heimat schuf.

Als er mehr über die Waldorfpädagogik erfahren hatte, wuchs in ihm die Überzeugung, dass er lieber vorsorgend die seelischen und physischen Widerstandskräfte der Kinder stärken wolle, anstatt nur Nachsorge zu betreiben. In der Waldorfpädagogik sah er eine solche Möglichkeit. Gleichzeitig – und auf der Suche nach einer geeigneten Schule für seine Kinder – entdeckte er in ihr auch eine Alternative zum staatlichen Schulsystem, das auf reinem Auswendiglernen und scharfem Wettbewerb basiert.

Vom Kinderarzt zum Kindergärtner …

Kurzerhand wurden die Zelte in Bangkok abgebaut. Die Familie zog in die USA, um nördlich von New York an dem damals in Spring Valley bestehenden Waldorflehrerinstitut Sunbridge College zu studieren. Vier Jahre blieb die Familie in den Vereinigten Staaten und zwei weitere Kinder wurden geboren, bevor die Familie 1994 nach Thailand zurückkehrte. Aus dem Kinderarzt wurde ein Kindergärtner, der in seinem Wohnzimmer mit einer ersten Waldorfkindergartengruppe begann.

Janpen hat neben der Arbeit im Kindergarten und der Pflege der hinzugekommenen Zwillinge erste Werke Rudolf Steiners in Thai übersetzt und so künftigen Erzieherinnen und Lehrerinnen zugänglich gemacht. Da hinter der Gründung ein großes Konzept für die Veränderung des Schulwesens in Thailand stand, folgten ab 1996 Einführungsveranstaltungen an der Chulalongkorn Universität und ein Arbeitszusammenhang mit der Fakultät für Kleinkindpädagogik wurde aufgebaut.

… und dann zum Klassenlehrer

Dem Kindergarten folgte 1996 eine Schule und Porn Panosot wurde Klassenlehrer für eine zunächst sehr kleine Kinderschar. Die »Panyotai« Waldorfschule war staatlich nicht anerkannt, denn ein solcher Schultyp war im Bildungsgesetz nicht vorgesehen. Es musste also etwas unternommen werden. Porn Panosot konzipierte 1998 das Netzwerk für Freiheit im Erziehungswesen, das sich aus zwanzig einzelnen Gruppen aufbaute. Mühsame Gespräche mit dem Ministerium wurden geführt – mit Erfolg, wie sich zeigen sollte. Der 1999 verabschiedete »National Education Act« eröffnete dann tatsächlich eine größere Freiheit im Erziehungswesen. Das Netzwerk wurde zum »Alternative Education Council« ausgebaut und Porn Panosot von der nationalen Erziehungskommission die Aufgabe übertragen, eine Studie zur alternativen Erziehung weltweit zu erstellen, sowie ein Konzept für ein Waldorflehrerseminar in Thailand zu entwickeln. Im Jahr 2000 wurde er Mitglied eines Komitees, das Bestimmungen für das alternative Schulwesen entwerfen sollte. Widerspruch zu leben war also möglich, denn einerseits betrieben die Panosots eine illegale Schule, andererseits wurde Porn zum Berater des Bildungsministeriums in Fragen der Schulvielfalt und der Freiheit im Bildungswesen. Ein Artikel von Panosot in der Bangkok Post führte im Jahr 2000 zur Entstehung einer zweiten Waldorfschule mit dem Namen Tridhaksa, die auch heute noch, allerdings unter einem anderen Namen, besteht.

Illegal und trotzdem international

2002 zog die Schule in ein größeres Gebäude, das nun alle Klassen beherbergen konnte, aber immer noch nicht den Vorschriften entsprach. Die weit über Bangkok hinaus bekannte Schule blieb nach wie vor illegal. Wie bekannt die Panyotai Schule war, zeigte sich, als sie als eine von fünf innovativen Schulen ausgewählt wurde, die den internationalen Teilnehmern einer staatlich organisierten Bildungskonferenz vorgestellt wurden. Einige konventionelle Schulen und Kindergärten hatten inzwischen Methoden der Waldorfpädagogik übernommen. Nun musste eine Schule gebaut werden, denn in den Provisorien konnte die Schule nicht weiter existieren. Auch das gelang, denn mittlerweile waren so viele begeisterte Eltern dazugestoßen, dass die entsprechenden Ressourcen aufgebracht werden konnten. Dazu kamen ein Darlehen der Schwester, einer Lehrerin sowie erhebliche Mittel der Freunde der Erziehungskunst und einiger Stiftungen. Der neue Schulbau wurde 2007 eingeweiht. Damals weilten auch die Teilnehmer der »Asian Waldorf Teacher Conference« hier, die aus dem Staunen über das hier Dargebotene kaum mehr heraus kamen.

Chinesische Kaiser statt germanische Götter

Nach acht Jahren wurde Porn Panosot Oberstufenlehrer und unterrichtete manchmal drei Klassen gleichzeitig, Biologie in der einen, Literatur in der anderen und Chemie in der dritten. Janpen Panosot kümmerte sich um die Schulverwaltung, erledigte alle Post, führte Elterngespräche, gab Kurse, erarbeitete weitere Übersetzungen und kümmerte sich um alles, was »liegen blieb«.

Porn entwickelte den Lehrplan für eine Thai-Waldorfschule, suchte nach Märchen­bildern für die unteren Klassen, fand Sagenstoffe in der buddhistischen Tradition, ersetzte Erzählungen von römischen Kaisern durch Darstellungen der großen chinesischen Kaiser, entwickelte ein neues Konzept für den Musikunterricht und passte den Lehrplan den Bedürfnissen der Kinder in Thailand an.

Janpen und Porn Panosot haben viele Gelegenheiten wahrgenommen, im Land über die Waldorfpädagogik zu sprechen und haben daran mitgewirkt, dass heute weitere Waldorfinitiativen in Chiang Mai, Khonkaen und in einigen anderen Städten entstehen.

Janpen Panosot beschrieb den gemeinsamen Impuls des Ehepaars folgendermaßen: »Das Licht von Rudolf Steiners heilenden Hinweisen, das uns in unserer Arbeit mit den Kindern geleitet hat, ist Nahrung für ihr Wachstum und ihre Entwicklung und hilft ihnen, zu kreativen und moralisch verantwortlichen Erdenbürgern zu werden, die in Zukunft zur Menschlichkeit der Welt beitragen werden.«