Ernährung

Lyes Bouldjediane – Marketingfachmann und Koch

Andreas Alt
Bild: © Angelika Lonnemann

Heute werden hier täglich 450 frisch zubereitete Mittagessen an Schüler:innen, Lehrer:innen und Mitarbeitende ausgegeben. Bouldjediane arbeitet mit einem zweiten Koch und drei Küchenhilfen zusammen, und regelmäßig absolvieren Siebtklässler:innen in kleinen Gruppen bei ihm ein Küchenpraktikum. «Ich mag hier besonders die Arbeit mit Kindern und ihre Reaktionen, wenn es ihnen geschmeckt hat», sagt er. «Kinder sind ehrlich und sagen mir auch, wenn es mal nicht so gut war.»

Dabei war Koch nach eigener Aussage nicht sein Traumberuf. Er studierte in Algerien und dann in Paris Marketingkommunikation. Nebenbei jobbte er in der Gastronomie. Nach dem Studium ging er in die Reisebranche. 2005 kam er der Liebe wegen nach Leipzig. Teils arbeitete er wieder als Koch, aber damit sollte eigentlich, vor allem wegen der ungünstigen Arbeitszeiten, ein- für allemal Schluss sein. Dann zeigte ihm aber ein Freund das Stellenangebot: «Koch in der Waldorfschule». Und Mensen und Schulküchen sind Jobs, an denen Köch:innen menschenfreundlichere Arbeitszeiten als in der Gastronomie haben. So ist er doch in diesem Metier gelandet.

Was soll auf den Teller kommen?

Die Schulküche besteht seit Herbst 2016. Bouldjediane berichtet, sie einzurichten, sei knifflig und langwierig gewesen. Damit meint er nicht die Küchenausstattung. Die sei dem Standard entsprechend, wobei Wert daraufgelegt wurde, dass es eine offene Küche ist und alle sehen können, wie da gearbeitet wird. Mühe bereitete die Klärung, was auf den Teller kommen soll. Er machte eine große Elternumfrage: Bio-Lebensmittel? Vegetarisch? Regionale und saisonale Küche? Es war ein längerer Prozess, die Wünsche umzusetzen, aber heute kann er alles das bieten, und zwar für 3,50 bis 3,70 Euro – ein Monatsabo kostet sogar nur 51 Euro. Bestellt wird digital, über ein Programm namens MensaMax.

Geboten werden für diesen Preis täglich ein Hauptgericht, eine Nachspeise und dazu freie Auswahl an einem reichhaltigen Salatbüffet. Beliefert wird die Schule vom Großhändler Naturkost Erfurt. Prinzipiell wird täglich nur ein Menü angeboten, aber die Küche liefert es in zahlreichen Varianten. Rücksicht genommen wird auf Kinder mit Nahrungsmittelallergien und auf Veganer:innen. Ansonsten gibt es ein oder zwei Mal im Monat Fleisch. Von einem Bekannten bezieht Bouldjediane gutes Rindfleisch. Auf Schwein verzichtet er nicht nur persönlich aus religiösen Gründen, sondern weil er überzeugt ist, dass es nicht gesund ist und die Kinder es weniger mögen.

Im Winter gibt es rote Bete

Wert legt der Koch auf saisonale Küche. Im Winter gibt es keine Zucchini oder Auberginen, sondern rote Bete und Rosenkohl. Typische Schulessen wie Nudeln mit Soße stehen bei ihm nur selten auf der Speisekarte, und wenn, dann ist die Soße zumindest mit frischen Zutaten gekocht. In der Kantine der Waldorfschule, so versichert er, werden auch Gemüsegerichte gern gegessen, weil er darauf achtet, dass das Gemüse nicht so verkocht wird, bis es bitter ist, und weil er mit Bedacht würzt. «Zwischen den Gewürzen muss eine Harmonie entstehen, wie in der Musik», sagt er und fügt hinzu, dass er in seiner Freizeit auch Musiker, Musikproduzent und DJ ist.

Wichtig ist ihm jedoch, eher mild zu würzen. Er greift mitunter auf die typisch algerische Küche zurück und kocht ansonsten auch gern asiatisch, aber die Gerichte sind nie besonders scharf. Das natürliche Aroma der Zutaten soll – anders als bei industriell hergestellten Nahrungsmitteln, die immer gleich schmecken – im Vordergrund stehen: «Ich bekomme zum Beispiel immer mal unterschiedliche Karottensorten – die schmecken dann auch unterschiedlich.»

Bouldjediane ist sich auch bewusst, dass er ein Altersspektrum von etwa sechs bis 65 Jahren bedient, und da muss er die Geschmäcker auf einen Nenner bringen. Das heißt, nicht die, die es besonders pikant mögen, geben den Ausschlag, sondern die, die Gewürze weniger vertragen.

Praktikanten:innen merken: Ich gehöre dazu

Seine Erfahrungen gibt der 45-Jährige gern bei den Küchenpraktika weiter. Es kommen immer drei oder vier Schüler:innen, die nach zweiwöchiger Mitarbeit einen Bericht verfassen. «Die machen bei mir alles mit, was in der Küche zu tun ist», sagt Bouldjediane. Ihn freut besonders, zu beobachten, wie sich auch solche Kinder, die manchmal stören oder unruhig sind, in dieser Zeit verändern: «Die erfahren: Ich gehöre dazu und bin wertvoll. Nach zwei oder drei Tagen macht ihnen die Arbeit hier richtig Spaß.» Sie bekommen Aufgaben und haben Erfolgserlebnisse. Und sie lernen, dass sie nicht einfach alles stehen und liegen lassen und ein Chaos hinterlassen können. Das Mittagessen kann nur dann rechtzeitig fertig werden, wenn sie Ordnung halten und bei ihrer Arbeit bleiben. Am Herd hantieren sie selbstverständlich unter Aufsicht.

Die Arbeit in der Schulküche beginnt morgens um halb acht, dann kommt auch der zweite Koch Roberto Abad. Die Küchenhilfen Anja Schneider und Fabio Zazzera bereiten die Speisen vor und spülen hinterher ab. Seit einiger Zeit ist außerdem stundenweise Christian Rabe dabei, der anfangs vor allem an Spitzentagen das Kartoffelschälen übernahm, aber inzwischen auch für andere vorbereitende Arbeiten zuständig ist. Um 9 Uhr macht das Küchenteam eine viertelstündige Frühstückspause. Um 9.30 Uhr kommen die Schüler:innen zum ersten Mal für eine Zwischenmahlzeit. «Wir stellen ihnen dazu ein Bistroangebot bereit», sagt Bouldjediane. Das Mittagessen beginnt um 11.30 Uhr. Gegen 17.30 Uhr endet dann für das Küchenteam ein spannender Arbeitstag.

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