»Manchmal zerreißt es mich fast«

Mathias Maurer

Daniell Porsche liebt Kontraste: Der »Seelenkalender« von Rudolf Steiner liegt aufgeschlagen auf dem Schreibtisch, im Hintergrund hängt ein Hochglanzposter des neuen Porsche Boxter an der Wand. »Ich jongliere zwischen den Welten«, sagt der Urenkel des Autokonstrukteurs Ferdinand Porsche. Das zeigt auch sein Wochenplan, in den der Porsche-Erbe unprätentiös Einblick gibt: Aufsichtsratssitzung in Zuffenhausen, Neubaubesichtigung, Promotionstour für den neuen Cayenne durch die ligurischen Alpen, Verlagstermine, nachmittags Zeit für seine drei Kinder, Abendveranstaltung im Salzburger Zweig der Anthroposophischen Gesellschaft und nachts tiefgründige Gedichte schreiben. Dazu kommen musiktherapeutische Stunden an der Paracelsus-Schule, einer Schule für sogenannte seelenpflege-bedürftige Kinder und Jugendliche – seinem Herzstück, wie er sagt.

Wir sitzen in seinem Büro im Kulturzentrum Sankt Jakob, einem kleinen Dorf unweit von Salzburg, das ohne ihn ganz anders aussähe. Hier hat er eine über zwanzig Jahre alte therapeutische Privatschule neu aufgebaut. Er hat den »Schützenwirt« zum gediegenen Restaurant umgestaltet, in dem es speziell für seine Gastronomie gebrautes Mondscheinbier gibt und Biogemüse von mit ihm zusammen­arbeitenden Bauernhöfen, ohne die Dorfbewohner und den Pfarrer vis-à-vis zu vertreiben. Und er hat den Jakobisaal errichtet, in dem Familienfeste, Konzerte, Film­festivals, Lesungen und das Oberuferer Christgeburtsspiel stattfinden – alles in anthroposophischer innen- und außenarchitektonischer Manier, in der Handschrift des Goethe­anum-Plastikers Christian Hitsch.

Daniell Porsche, Jahrgang 1973, lässt den Blick aus dem Fenster zur Festwiese schweifen, wo noch der hohe Maibaum steht, den er selbst geschlagen hat, und erzählt von seiner Kindheit, seinem schulischen Werdegang und wie Porsche bei Waldorf gelandet ist. Seine Großmutter Dorothea kannte Rudolf Steiner noch persönlich. Sein Vater, auch Waldorfschüler, wollte von Waldorf eigentlich nichts mehr wissen. Über die Mutter, deren Krankheit erfolgreich mit anthroposophischen Heilmitteln behandelt wurde, kam er schließlich doch auf eine Waldorfschule. Dort baute der technikbegeisterte Schüler einen ferngesteuerten Heißluftballon und als Jahresarbeit in der Zwölften ein Solarmobil. Das Abitur legte er an der Stuttgarter Waldorfschule Uhlandshöhe ab, machte eine Waldorflehrerausbildung im schweizerischen Dornach, studierte Musiktherapie in Berlin und arbeitete als Praktikant an der damals noch in Niederalm bei Salzburg ansässigen Paracelsus-Schule.

Dennoch kann er das Achtel des Porsche-Besitzes und die jährlichen Millionenausschüttungen nicht einfach abschütteln. Das verlangt Nervenstärke, vor allem in der spannungsreichen Porsche-Piech-Connection, die seine Firma zum größten Autokonzern Europas macht. – Vielleicht hat er den Waldorflehrer vor Augen, der in aller Seelenruhe die Reste eines Adventskranzes wegräumte, den Porsche als Schüler mit einem China-Kracher präparierte – einer seiner sechzig in Kürze in Buchform erscheinenden Schulstreiche. Jedenfalls wird er in den nächsten Jahren ordentlich drauflegen müssen. Achtzig Prozent seines Einkommens investierte er bisher in soziale Projekte. Und da seine Schule für die Kinder, die nur teilweise vom Jugendamt geschickt werden, unzureichende staatliche Zuschüsse erhält und die Firma wegen der Fusion mit VW einen Ausschüttungsstopp verhängt hat, wird sich schnell ein Defizit in Millionenhöhe aufbauen. Zum Glück greift ihm der Vater unter die Arme – so paradox es klingt – auch ein Porsche kann auf Spenden angewiesen sein.

Statt schneller Autos baut Daniell Porsche soziale Welten. Das zeigt nicht nur sein Fuhrpark vor der Einfahrt: neben dem Cayenne steht als sein »Zweitwagen«, ein alter Porsche-Traktor oder ein restaurierter VW-Bus aus den 1960ern, der dem Gasthaus als Lieferwagen dient, sondern auch folgende Geschichte: Als das Projekt »Sankt Jakob« aus juristischen Gründen auf Messers Schneide stand und zu kippen drohte, ging Daniell Porsche mit seinem Hund um den angrenzenden See spazieren und fragte die Elementargeister, ob er weitermachen solle. Am nächsten Tag stellten sich die Weichen zu seinen Gunsten.

Daniell Porsche knüpft mit seiner Lebens- und Arbeitsweise an alte unternehmerische Traditionen an, als Gewinne nicht nur karitativ oder in eine Stiftung eingebracht wurden, sondern die Unternehmer sich nicht zu fein waren, selbst Hand anzulegen. Wie seine Großmutter, die die Weihnachtsgeschenke für die Firmenmitarbeiter noch selbst einpackte, kümmert er sich ganz konkret um das Schicksal seiner Schützlinge, Kinder, die allein ins Bett gehen müssen, weil ihre Mütter nachts arbeiten, oder indem er den jugendlichen Abgängern Anlehremöglichkeiten in kooperierenden Betrieben bietet. – Und morgens schippt er den Schnee vor der Schule weg. Man spürt, das ist keine soziale Masche eines Unternehmens-Erben, sondern tiefes, ernstes inneres Anliegen.

Links:

www.paracelsusschule.at
www.kulturzentrum-stjakob.at
www.kunstschrift.at