Erziehungskunstwerk

Ute Hallaschka

Die Reise führt in den tiefen Süden von Amerika, ein Road Movie mit vertauschten Rollen. Am Steuer sitzt der weiße Chauffeur Tony Lip (Viggo Mortensen), ein arbeitsloser Proll, italienischer Abstammung, der bisher als Türsteher in Nachtclubs gearbeitet hat. Mit ihm kommen sämtliche Vorurteile und Klischees der Weißen ins Spiel – aber er braucht den Job. Auf dem Rücksitz Dr. Don Shirley (Mahershala Ali), ein begnadeter klassischer Pianist auf Konzerttournee in die Südstaaten. In der Metropole New York liegt ihm das Publikum zu Füßen, er hätte es nicht nötig, doch er verlässt absichtlich die akademisch-intellektuelle Welt, um der Wirklichkeit zu begegnen. Auf dem Papier haben Schwarze dieselben Bürgerrechte wie Weiße, die Realität sieht anders aus.

Es wird ein gegenseitiges Erziehungskunstwerk, das der Zuschauer im Wechselbad der Gefühle erlebt. Vergnüglich, grotesk, komisch und schmerzhaft. Das titelgebende Negro Motorist Green Bookverzeichnet die wenigen Unterkünfte, wo auch Schwarze willkommen sind und nicht drangsaliert werden. Mit der Zeit entwickelt sich zwischen den unfreiwilligen Reisegefährten im Lauf der kuriosen Geschehnisse eine tiefe Freundschaft. Die beiden begnadeten Schauspieler machen aus dem gemeinsamen Trip ins abseitige, bigotte Amerika eine Innenreise. Die Geschichte, die auf einer wahren Begebenheit basiert, ist so eindrücklich, komödiantisch und wahnwitzig zugleich, dass das eigentliche politische Thema umso mehr unter die Haut geht. Es wird nicht schwarz-weiß gezeichnet, sondern absolut klar, wie fein und vielschichtig es ist – das, was uns abhält, einander individuell als Mensch zu sehen. Und das gilt für uns alle: ob schwarz oder weiß. Jetzt und hier. 

Green Book – Eine besondere Freundschaft, Tragikkomödie, Regie: Peter Farrelly, 131 Min., USA 2018, FSK 6