Frau Repnak schildert das Scheitern der Inklusion aufgrund von bürokratischen Unklarheiten und Defiziten bei der praktischen Umsetzung. Um das Gesamtbild des Themas Inklusion zu ergänzen, möchte ich folgende Betrachtungen und Erfahrungen aus der direkten Arbeit mit der Inklusion darstellen: Besonders auffallend scheint das generelle, nahezu blinde Vertrauen in Organisationen wie die UN und die Bundesregierung, welche in puncto Pädagogik aufgrund ihrer Distanz zur Materie völlig fachfremd sind, es aber dennoch vermögen, den Zeitgeist und die Gesetzgebung durch ihre praxisfernen Thesen zu beeinflussen. Gerade beim Thema »Inklusion« geht an Waldorfschulen die Schere zwischen Anspruch und Wirklichkeit auseinander. Die Schulen akzeptieren oft unreflektiert die ministeriellen Vorgaben oder Regierungsbeschlüsse. Geeignete Fachleute an den Schulen stehen nicht zur Verfügung. Die Kollegen fühlen sich allzu oft verpflichtet, sofort alles umzusetzen, sie lassen die Kritik beiseite,– sei es aus »political correctness«, vorauseilendem Gehorsam oder Verunsicherung.
Eine Gymnasiallehrerin in Hamburg zum Beispiel ist zeitlich und fachlich überfordert, wenn sie in ihrer Klasse ein Kind mit diagnostiziertem Aspergersyndrom unterrichten soll, auch wenn das Kind theoretisch das gleiche Recht auf einen Schulplatz hat wie andere Kinder. Die oft dafür abgestellten Zivis, »Freiwilliges Soziales Jahr-Praktikanten« oder Arbeitsagentur-Umschuler sind an dieser Stelle nicht nur unterbezahlt, sondern schlicht nicht qualifiziert genug. An integrativ arbeitenden Schulen entsteht meiner Beobachtung nach häufig kein authentischer Kontakt zwischen den behinderten Kindern und den anderen Schülern. Dieser Kontakt muss durch die Betreuer permanent angeregt werden und wirkt konstruiert und fremdbestimmt.
Aufgrund meiner zwanzigjährigen Berufserfahrung als Theologe, anthroposophischer Heilpädagoge und Englischlehrer muss ich feststellen, dass es für ein »behindertes« Kind besser ist, in einem Umfeld unterrichtet und gefördert zu werden, das seiner Situation und seinen individuellen Bedürfnissen entspricht, anstatt in die Integration gezwungen zu werden. Macht es wirklich Sinn, Integration und Inklusion den Schulen per Gesetz aufzuerlegen oder wäre es nicht konstruktiver, diese Themen stärker allgemeingesellschaftlich anzuregen? Das Leben findet ja nicht nur in der Schule statt.
Was hat ein Schüler davon, wenn er in der Schule mehr schlecht als recht integriert wird und nach seiner Schulzeit wieder aus der Gesellschaft herausfällt, nur weil Entscheidungsträger eine grundsätzlich zu bejahende humanistische Idee politisch durchsetzen wollen?