Das Grundproblem lässt sich mit dem Begriff der Bildungsökonomie beschreiben, durch die Marktgesetze auf Schule und Lernen übertragen werden – und in diese Bereiche gehören sie nicht, weil hier andere Gesetze gelten. Der Autor verdeutlich dieses falsche Denken anhand von zwei Themenfeldern: dem der Kompetenzen und dem der Inklusion. Zwei der drei großen Kapitel sind folgerichtig mit »Kompetenzwahn« und »Inklusionswahn« überschrieben.
Für Türcke ist klar, dass das Beibringen von Kompetenzen kein wirkliches Lernen ist. Das »Lernen« von Kompetenzen ist eng mit der Konditionierung verbunden und diese Form des Lernens sollte beim Menschen keine so große Rolle spielen, wie es momentan der Fall ist. Die Unterteilung des Lernstoffes in überprüfbare Module führe nur dazu, dass kein wirklicher Sachverstand gelernt wird, sondern letztlich bei der Unterteilung etwas Nichtssagendes übrig bleibt. So wird das Niveau gesenkt und die Anzahl der Abiturienten erhöht – wovon die Gesellschaft aber nichts hat, weil der eigentliche Sachverstand fehlt. Ein wichtiges Teilproblem ist, dass Inhalte nur wegen ihrer Nützlichkeit angeeignet werden und keinen Wert mehr an sich haben. In eine ähnliche Richtung geht die teilweise Abschaffung der geisteswissenschaftlichen Fakultäten an Universitäten – sie fallen dem Nützlichkeitsdenken zum Opfer.
Die derzeitige Diskussion um die Inklusion sieht der Autor ebenso kritisch – schon weil sie keine wirkliche Diskussion ist. Beispielsweise wird die UN-Behindertenrechtskonvention nicht hinterfragt, sondern als »heilig« angesehen. Denkverbote führen aber zu keinen guten Ergebnissen. Türcke kritisiert, dass das unausgesprochene Ziel der Inklusion eine Einheitsschule sei, die keinem Kind wirklich gerecht werde, stattdessen aber die Lehrkräfte überfordere. Gewollter »Nebeneffekt«: Geldeinsparung. Der derzeitige Inklusionsgedanke würde – zu Ende gedacht – zu Doktorandenkolloquien führen, an denen auch Grundschüler teilnehmen dürften – ein offensichtlicher Unsinn. Ausgrenzung sei heute so schlimm wie früher die Ausbeutung – dabei werde aber nicht gefragt, ob Ausgrenzung teilweise sinnvoll und erforderlich sei. Marktgesetze führen zu der Ausgrenzung, die sich mit Inklusion aber nicht beheben lässt.
Für Türcke ist die Person und die Persönlichkeit des Lehrers der entscheidende Faktor beim Lernen. Das menschliche Lernen hat nur in bescheidenem Maß etwas mit Reiz und Reaktion zu tun – und für das menschliche Lernen bedarf es des Lehrers als Gegenüber.
Christoph Türcke: Lehrerdämmerung. Was die neue Lernkultur in den Schulen anrichtet. Klappenbroschur, 159 S., EUR 14,95, C.H. Beck, München 2016