Ey Alter ...

Mathias Maurer

Liebe Leserin, lieber Leser!

Ey Alter: das ist eine gängige Ausdrucksweise, die meist von solchen stammt, die nicht viele Jahre auf dem Buckel haben, sondern selbst noch grün hinter den Ohren sind. Gemeint ist nicht Vater oder Groß­vater, sondern der gleichaltrige Kumpel. Das »Alter« zielt nicht auf das Alter in Jahren oder den alten Menschen, sondern auf die floskelhaft angerufene »alte« Freundschaft.

Während vor hundert Jahren noch drei bis vier Generationen in einer Familie zusammenlebten, scheinen heute selbst Zusammenlebensformen, die über eine Generation hinausgehen riskant. Doch in den

nächs­ten Jahren werden Jung und Alt völlig neue »Freundschaften« eingehen müssen – nicht unbedingt der leiblichen, sondern der »wahlverwandtschaftlichen« Art. Denn es droht der Kampf der Generationen. Der demographische Wandel macht neue Formen der Einkommensbildung, der Altersvorsorge und generationellen Absprache unausweichlich: Immer weniger Menschen im erwerbstätigen Alter müssen immer mehr »Alte« mittragen, und Letztere lassen sich nicht länger pflegestufenweise an den gesellschaftlichen Rand drängen.

Können alte Menschen eine Bereicherung, statt Belastung des gesellschaftlichen Lebens darstellen? Was haben die Alten zu bieten? Machen die Jungen so viel Blödsinn, weil der weise Rat der Altvorderen weder im privaten noch im öffentlichen Raum nicht mehr gehört wird? Oder sind die Alten schon so juvenil geworden, dass sie erst als Greise alt aussehen? Und in der Tat: die Menschen werden nicht nur immer älter – ein heute geborenes Kind hat eine Lebenserwartung von 100 Jahren –, sie werden auch immer gesünder. Viele können noch weit über die 65 erwerbstätig sein, viele sind ehrenamtlich aktiv, bilden sich weiter oder studieren noch mal. Man spricht nicht umsonst vom Unruhestand – gesellschaftlich stellen die Alten eine riesige Ressource dar.

Rudolf Steiner wies einmal darauf hin, dass besonders alte Menschen für die Erziehung und Bildung der jungen Kinder, und die jungen Erwachsenen für die der Jugendlichen geeignet seien. Die Praxis in Elternhaus und Schule scheint diesen Hinweis auf die seelisch-geistige Nähe zu bestätigen: Frischer Kindermut und lebensgesättigte Altersweisheit, die sich ergänzen. Kein Kultfilm oder Kult­-roman der letzten Jahre, keine mythische Erzählung käme ohne diese »Zusammenarbeit« von jung und alt aus.

Die jungen Menschen müssen heute auf diese gesellschaftliche Veränderung vorbereitet werden. Nicht nur um eine nahe gesellschaftliche Zukunft, sondern sich in dieser Zukunft einst selbst verstehen zu lernen. Denn das Alter ist kein Phänomen der Vergangenheit, sondern kommt aus der Zukunft.

Aus der Redaktion grüßt

Mathias Maurer