»Bildungselemente, die auf das Künstlerische setzen, werden zu häufig nur als nettes Beiwerk betrachtet, das unterstützend zur ›richtigen‹ Bildung hinzugezogen wird«, erklärte Sandra Schürmann, Gründerin und CEO der Projektfabrik, die mit ihrem Programm JobAct erfolgreich Langzeitarbeitslose in Arbeit und Ausbildung vermittelt. Erfolgsfaktor bei JobAct ist das Element der Theaterpädagogik. Durchschnittlich 67 Prozent der inzwischen mehr als 2.500 »JobActler« wurden in den vergangenen sieben Jahren vermittelt – ein Erfolg, der auch J.P. Morgan überzeugt hat. Die Bank fördert seit zwei Jahren den deutschlandweiten Ausbau des Projekts ideell und materiell.
Ebenfalls an der Initiative zur Veranstaltung ist das Städel Museum beteiligt, in dessen Metzler-Saal die Tagung stattfand. Das Frankfurter Bürgermuseum entwickelt bereits seit Jahren zahlreiche Strategien und Programmangebote, um verschiedenste Zielgruppen durch die Auseinandersetzung mit Kunst in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen und für eine breite Teilhabe an Bildung und Kultur und damit am gesellschaftlichen Leben zu sorgen.
Gerald Hüther plädiert für einen Kulturwandel in der Bildung, weg vom klassischen Unterricht
Mit einem Impulsvortrag leitete der Hirnforscher Prof. Dr. Gerald Hüther die thematische Diskussion ein. Er erklärte, dass ein Kulturwandel notwendig sei. Es dürfe nicht mehr das Ziel sein, anderen etwas beibringen zu wollen, sondern Menschen dazu einzuladen, das zu zeigen und zu entwickeln, was an Begabungen in ihnen steckt. Das funktioniere nicht mit herkömmlichen Unterrichtsmethoden. Er betonte, dass die Verbindungen im Gehirn, die ein Mensch braucht, um im Leben zurechtzukommen und Herausforderungen anzunehmen, nicht durch Auswendiglernen entstehen, sondern durch Erlebnisse, Selbsterfahrungen, Begeisterung, das »Gesehen werden« und den Umgang mit anderen Menschen. Er erklärte, dass genau dies durch künstlerische Prozesse ermöglicht werde. Das Ziel schulischer Bildung müsse nicht ein besonders gutes Abitur sein, sondern die Leidenschaft, sein Leben zu gestalten.
Podium spricht sich für signifikante Änderungen in der Lehrerausbildung aus
Einig war sich das Podium in der Frage nach der Lehrerbildung. Lehrerinnen und Lehrer müssten so ausgebildet werden, dass sie Kinder zum Erforschen und zur Entdeckung ihrer eigenen Talente einladen. Dies sei nur aus der Selbsterfahrung heraus möglich. Auch Lehrkräfte müssten sich beispielsweise anhand künstlerischer Methoden Unterrichtsstoff selbst erarbeiten. Beatrice Werner (Schauspielerin und Initiatorin des dm-Projekts ZukunftsMusiker, Frau des dm-Gründers Götz Werner) wies hinaus darauf hin, dass die Erzieher- und Lehrerberufe in unserer Gesellschaft viel zu schlecht bezahlt und zu wenig wertgeschätzt werden. Gerald Hüther schloss mit der Feststellung, dass er die Entwicklung optimistisch beobachte. Die Debatte sei bereits viel differenzierter als noch vor zehn Jahren, es werde heute verstanden, dass die Bildungsziele der Vergangenheit nicht optimal waren und wir neue Formen bräuchten, die vor allem Erfahrungswelten und somit künstlerische Elemente beinhalten.
Arbeitskreis zur Fortsetzung des Dialogs stößt auf großes Interesse
Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer äußerten sich positiv zu der Veranstaltung. Man habe viele neue Erkenntnisse und Anregungen erhalten, und es ist ein großes Interesse sichtbar, den angestoßenen Dialog fortzusetzen. Zum Ende der Veranstaltung lud die Projektfabrik alle Anwesenden ein, sich an einem neuen Arbeitskreis zum Thema »Das Künstlerische als Bildungsprinzip« zu beteiligen. Die erste Zusammenkunft soll im kommenden Jahr in der neuen SCHULE für Kunst, Kommunikation und Wirtschaftsgestaltung der Projektfabrik in Witten stattfinden. Dabei soll es konkret um gemeinsames künstlerisches Arbeiten und die Frage nach den Potentialen eines künstlerischen Ansatzes gehen; nicht nur für Schulen und Bildungseinrichtungen, sondern auch für Unternehmen und Institutionen außerhalb des Bildungswesens. Die Projektfabrik plant wiederum verschiedene Experten und Beteiligte dazu einzuladen. Interessenten können sich an Lukas Harlan bei der Projektfabrik wenden.
PROJEKTFABRIK: Lukas Harlan, Tel: 01577-792 1147; E-Mail: harlan@projektfabrik.org
Quelle: J.P. Morgan, PROJEKTFABRIK und Städel Museum