Klassenzimmer

Fadenspiele als pädagogisches Arbeitsmittel

Joachim Lentz

Fadenspiele sind mit Bändern, Fäden aus Tiersehnen oder Wolle schon aus der Frühzeit der Menschheit bekannt. Ins europäische Bewusstsein sind die Spiele erst durch Entdecker:innen, Forscher:innen und Missionar:innen gekommen, die sie in sehr unterschiedlichen Weltgegenden gefunden haben: bei den Inuit, bei indigenen Völkern in Nordamerika (Navajo), bei einigen Völkern Schwarzafrikas, bei den Aborigines in Australien, auf einigen Inseln Ozeaniens oder in Japan. Keine Überlieferungen oder Berichte gibt es aus den islamischen und den europäischen Ländern. Unterscheiden lassen sich Figuren-, Bewegungs-, Entfesselungstricks und das sogenannte Abnehmespiel.

Pädagogisches

Mit Fadenspielen können Kinder elementare Fähigkeiten spielerisch üben und festigen. Aber Fadenspiele machen in jedem Alter Spaß, auch Jugendliche, Erwachsene und Senior:innen können viel Freude daran haben.

Bei Kindern wird durch das Fadenspiel zum einen die Raumesorientierung geübt: oben-unten, rechts-links, vorne-hinten wird durch die Handhaltung und die notwendigen Bewegungen erlebbar. Auch Feinmotorik und Geschicklichkeit werden durch den Wechsel zwischen dem Spannen und Lösen der Fäden, dem Schlaufe drehen, Fäden aufnehmen oder fallen lassen geschult.

Ein wesentliches Merkmal der Faden­spiele gilt von der ersten Übung an: Tricks werden kaum beim ersten Versuch gelingen!

Das bedeutet: üben, üben, üben!

Bei jedem nicht gelungenen Versuch wird gleich wieder neu aufgebaut.

So lässt sich Geduld und Beharrlichkeit spielerisch üben.

Fadenspiele sind auch für die Konzentrationsfähigkeit von Kindern wichtig. Bei den ersten einfacheren Fadenspiel-Tricks wird das Ergebnis noch recht schnell sichtbar. Mit fortschreitendem Schwierigkeitsgrad und zunehmender Komplexität der Bewegungsvorgänge wird die Konzentrationsspanne Schritt für Schritt spielerisch erweitert. Das Ergebnis ist als überraschende Figur, Bewegung oder Zaubertrick dann immer die sichere Belohnung zur Freude für alle. Die verblüffende Erfahrung ist dann, dass im weiteren Spielverlauf die Finger und die Hände aus der Bewegung heraus die Gedächtnisfunktion übernehmen. Nicht der Kopf denkt, sondern die Hände ...

Auf dem winzig kleinen Raum zwischen den eigenen Handflächen wird für die Spieler:innen erlebbar, dass nur ständige Wiederholungen im Übprozess zum Ergebnis führen. Die Kinder erleben sich im gemeinsamen Tun und wie mit nur einem Bindfaden eine interessante Faden­figur entstehen kann. Die Fantasie und das Staunen werden angeregt. Beim Abnehmespiel wird Zusammenarbeit geübt.

Methodisches

Der Erwachsene macht es einmal zügig vor und dann nachfolgend für die Kinder Schritt für Schritt alle gleichzeitig. Wichtig ist dabei, dass durch die Anleitung von Anfang an eine gewisse Systematik vermittelt wird: die Grundhaltung (die bei 60 Prozent der Fadenspiele benutzt wird), der erste Anfang, der daraus resultiert, einige immer wiederkehrende Bewegungsabfolgen, zum Beispiel der Navajosprung (Bezeichnung durch Ethnolog:innen erfunden).

Später, wenn die Schüler:innen die Grundlagen beherrschen, können zum Beispiel diejenigen, die ihre Aufgaben in der Klasse bereits erledigt haben, sich selbst den Faden holen und weiter üben. Langweilig wird es nie. Die Kinder erfinden teilweise selbst eigene Variationen oder Ergänzungen.

Praktisches und Lernmaterial

Wichtig zum Gelingen und zum Wecken der Spielfreude ist die Beschaffenheit der Spielfäden. Sie sollten locker und geschmeidig sein, nicht zu steif, sonst rutschen sie den Kindern von den Fingern. Bewährt haben sich geflochtene Kunstfaserbänder von der Rolle, wie man sie im Baumarkt oder Seglergeschäft kaufen kann. Das Band sollte eine Länge von 190 Zentimetern haben, zusammengeschweißt ergibt das ein Fadenspiel von 95 Zentimetern als Doppelfaden.

Zum Fadenspiel gibt es viele Anschauungsvideos im Internet und Bücher im Handel. Die Videos und auch die gedruckten Anleitungen sind von sehr unterschiedlicher Qualität. In den gedruckten Beschreibungen wird versucht, den räumlichen Bewegungsverlauf durch detaillierte Beschreibung zu erfassen. Dies zu verstehen ist manchmal schwieriger, als die Abläufe in Bewegung zu sehen.
Persönliches

Im Laufe meiner Unterrichtspraxis als Musiker in der Heilpädagogik habe ich mir rund vierzig Fadenspiel-Tricks angeeignet, davon sind etwa ein Dutzend für Anfänger:innen geeignet, die übrigen sind dann komplexer und benötigen einen gewissen Durchhaltewillen. Ich persönlich halte die direkte Vermittlung in einem Workshop für die effektivste Art und Weise, das Fadenspiel zu lernen.

Weiterführende Literatur: Bücher, Anleitungen, Literatur von L. Walschik unter dem Label ABOINUDI oder über «Fadenspiel mobil» bei Jörg Zastrow.

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