Was tun, wenn’s brennt?

Henning Kullak-Ublick

Wie verhält man sich als pädagogische Einrichtung, wenn Kinder oder Jugendliche zu Schaden gekommen sind, sei es durch bewusste Handlungen oder durch Versäumnisse? Was ist, wenn der Verdacht auf sexuellen Missbrauch vorliegt? Oder ein gewaltsamer Übergriff? Wie verhält man sich gegenüber den eigenen Schülern, den Eltern und der Öffentlichkeit in einem Krisenfall?

Die Versuchung, in die klassischen Fallen der Verleugnung, Verdrängung oder Verharmlosung zu tappen, ist bei Institutionen nicht minder groß als in der Familie oder im Freundeskreis. Damit fügt man den Opfern aber nicht nur weitere Schmerzen zu, sondern schadet auch der eigenen Institution. Eine professionelle Krisenkommunikation ist daher keine Vertuschungsstrategie, sondern eine notwendige Voraussetzung, um einerseits den Betroffenen zu helfen und andererseits verlorenes Vertrauen wiederherzustellen.

Führen in einer Krise setzt kurze Wege, klare Absprachen und eine transparente Information von Betroffenen, ihren Angehörigen, eventuell auch der Mitschüler und der Öffentlichkeit voraus. Deshalb ist es notwendig, sich bereits vor einer Krise darüber zu verständigen, bei wem im Ernstfall die Fäden zusammenlaufen. Das gilt für alle Formen der Krise, von Unfällen über Streitigkeiten bis zu Gewaltvorfällen. Selbstverständlich gilt die Unschuldsvermutung, bevor eindeutig feststeht, dass ein Beschuldigter tatsächlich übergriffig geworden ist. Gerade bei kollegial geführten Einrichtungen besteht die Gefahr, dass ein Automatismus des Nicht-Wahr-Haben-Wollens, dann des Wegdrückens und schließlich der Bagatellisierung einsetzt, dass das Opfer in die Rolle des Täters gedrängt wird, weil es den Frieden stört. Deshalb sollte Folgendes beachtet werden:

• Die Namen von zwei Ansprechpartnern aus dem Kollegium – eine Frau und ein Mann – sollten den Schülern, Eltern und Mitarbeitern bekannt sein.

• Bei sexuellen oder gewaltsamen Übergriffen sollte eine externe, unabhängige Beratungsstelle einbezogen werden. Je nach Vorfall, Ort und Schweregrad müssen auch die Staatsanwaltschaft und das Ministerium informiert werden.

• Die Eltern, eventuell auch die Mitschüler oder sogar weitere Personen aus der Elternschaft sollten innerhalb weniger Tage unterrichtet werden, weil Gerüchte immer schlimmer wirken als Aufklärung.

• Der Bund der Freien Waldorfschulen bietet sowohl Betroffenen als auch den Einrichtungen Hilfe bei der Aufklärung, Bearbeitung und Kommunikation an.

• Die Schüler sollten auch über externe Anlaufstellen informiert sein, beispielsweise die anonyme Hotline beim Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung: 0800-2255530. Webseite: www.hilfeportal-missbrauch.de/startseite.html.

Krisenkommunikation steht nicht im Widerspruch zu den Persönlichkeitsrechten der Beteiligten, sondern hilft, diese zu schützen, wenn sie mit Transparenz und einer klaren Führung einhergeht.

Kontakt:

Henning Kullak-Ublick | Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Bund der Freien Waldorfschulen | Kaiser-Wilhelm-Straße 89 |20355 Hamburg | Tel. 0 40/3 41 07 69 95 | www.waldorfschule.de/service/was-tun-bei-missbrauch/