Bitteres Salz

Ute Hallaschka

Salgado reist seit Jahrzehnten durch die Elendsgebiete der Welt und dokumentiert mit seinen Fotoreportagen die menschengemachte Not: Krieg, Hungersnöte, Flucht und Tod. Der Betrachter wird von den Aufnahmen mitten ins Herz getroffen.

So ging es auch dem Regisseur Wim Wenders, er entschloss sich einen Dokumentarfilm über Leben und Werk dieses außergewöhnlichen Künstlers zu drehen. Gemeinsam mit Juliano Salgado, dem Sohn des Fotografen, entstand »Das Salz der Erde«. 

In technischer Hinsicht ist der Film äußerst gelungen. Schnitte, Montage und Überblendungen zeigen das verwendete Fotomaterial im biographischen Ablauf. Immer in Korrespondenz mit der jeweiligen Umgebung, so dass der Zuschauer tatsächlich den Eindruck einer Zeitreise erfährt. Als wären wir vor Ort und würden ebenfalls unmittelbar durch die Kamera schauen. Was wir sehen, ist erschütternd.

Salgado hat schließlich selbst den Blick auf das Leid nicht mehr ausgehalten. Um nicht seelisch zugrunde zu gehen, hat er sich einem anderen Thema zugewandt. Seit zehn Jahren dokumentiert er in seinem Projekt »Genesis«, die Schönheit der Erde. Er reist in entlegene Gegenden, um unberührte Naturlandschaften aufzunehmen.

Hier beginnt das Problem. Der Film wird beworben als eine Idylle: »Fast die Hälfte unseres Planeten ist bis zum heutigen Tag unberührt. Mit seiner Kamera widmet sich Salgado  diesen paradiesischen Orten unserer Erde, kehrt an den Ursprung allen Lebens zurück und offenbart uns eine wunderbare Hommage an die Schönheit unseres Planeten.«

Kein Wort davon, dass wir zuvor in der Anschauung buchstäblich über Leichen gehen müssen. Anderthalb Stunden lang sehen wir ausgemergelte, kranke, sterbende Menschen. Berge von Leichen, tote Kinder. So darf man nicht spielen mit der Offenheit, der Erwartung und Aufmerksamkeit der Zuschauer. Er wird getäuscht.

Der Film ist ein Kunstwerk, seine Bilder sind inspiriert von Mitgefühl. Doch um dem Schrecken standzuhalten, muss man vorbereitet sein. Wer diese Bilder sehen will, muss wissen, was ihn erwartet.

Bitteres Salz, Regie: Wim Wenders, Juliano Ribeiro Salgado, Dokumentation, Brasilien  Frankreich, Italien 2014, 110 Min., Starttermin: 30. Oktober 2014