Die Macht wird weiblich

Ute Hallaschka

Die neue weibliche Hauptfigur Rey (Daisy Ridley) lebt als Schrottsammlerin auf einem öden Wüstenplaneten – diesmal tritt die Läuterung gleich zu Beginn ein. Ein Deserteur, der ehemalige Sturmtruppler Finn (John Boyega), wendet sich von der dunklen Seite ab und rettet eine Droiden-Einheit, in der sich ein wichtiger Plan befindet, den der Widerstand braucht.

Die Erzählung beginnt völlig unmotiviert. Keine Ahnung woher das Imperium, das doch besiegt war, plötzlich herkommt – aber das kümmert niemanden. Es ist, als ob man auf alte Bekannte trifft, die man lange nicht gesehen hat, aber unmittelbar Beziehung anknüpfen kann, in der eigenen Vergangenheit. Sowohl die Gestalten als auch die Struktur der Handlung folgen dem Original. Reys Heimat sieht aus wie die von Luke und Anakin, die planetarischen Kneipen sind auch noch genauso wie vor 40 Jahren – man kann das für einfallslose Zitate halten, für die Quittung dafür, dass George Lucas die Rechte an Disney verkauft hat, aber es wird sich später zeigen, dass diese anfängliche Beheimatung der Phantasie des Zuschauers durchaus ihren Sinn hat.

Es wird über zwei Stunden lang mucksmäuschenstill im Kino sein. Nur gelegentlich hört man einen gemeinsamen tiefen Atemzug der Überraschung. Das ist bemerkenswert. Wir sitzen hier wie die Kinder in einer Gemeinschaft, der ein Märchen erzählt wird. Wenn es auch ein technisches Märchen der Neuzeit ist – umso erstaunlicher.

Was der Droide hütet, ist ein Mythos – die Karte, die zu Luke Skywalkers Aufenthaltsort führt. Der letzte Jedi-Ritter ist verschwunden. Scheinbar hat er versagt, so wie Meister Yoda vor ihm. Die neue Droiden-Einheit ist nach Kindchen-Schema designt, geradezu ein Baby, ihrem großen Bruder R2-D2 gegenüber. Aber der ist ja auch 30 Jahre älter. Rey, die neue Heldin, rettet den Droiden samt Finn und dann geht es Schlag auf Schlag. Wir sehen den Falken wieder, das sagenhafte Raumschiff von Han Solo und gleich taucht er auch selbst auf, samt Chewi. Es ist unglaublich, wie smart der 73 Jahre alte Harrison Ford in der Rolle des Haudegen erscheint – so frisch wie am ersten Tag, als wäre die Zeit stehen geblieben. Der Charmeur überspielt bruchlos die Jahrzehnte und wirkt so glaubwürdig wie eh und je.

Aber dann kommt der zweite Seufzer. Han Solo und Prinzessin Leia sehen sich wieder. Das ist ein Schock und damit tut sich ein Abgrund auf in der eigenen Seele. Die Prinzessin ist uralt geworden. Es ist eine kluge Entscheidung, dass man der 59-jährigen Darstellerin Carrie Fisher ihre Rolle mit Falten und grauen Haaren zugestand. Doch das Erschütternde, was sich zeigt, ist die eigene Sehgewohnheit. Das Prinzessinnenbild von damals verträgt sich einfach nicht mit diesem gealterten Frauengesicht. Obwohl die Reife es definitiv schöner macht, als es damals in seiner beliebigen Glätte war. Jetzt trägt sie einen Charakterkopf und heißt nicht mehr Prinzessin, sondern General. Irgendetwas wehrt sich, diese beiden Bilder ineinander zu sehen. Das kann doch nicht wahr sein, aber es ist so: Besonders als Frau könnte man vor Scham im Boden versinken. Man kann gar nicht tief genug gehen in der eigenen Seele, um einzusehen, was die dunkle Seite der Weltbilder als Klischee im eigenen Innern unmerklich erzeugt. Auf der Stelle möchte man ein Laserschwert schwingen und ein paar Jedi-Übungen zur Korrektur des eigenen Seelenlebens durchführen.

Dafür ist Rey, die Heldin da. Sie kann fliegen, schießen, flotte Sprüche klopfen und als Schrottsammlerin ist sie alles andere als prinzessinnenhaft. Na gut, sie muss sich natürlich gleich in Deserteur Finn verlieben, das ist dramaturgisch unvermeidlich. Gegen die weibliche Stärke der Macht sieht der Vertreter der dunklen Seite wie ein armes Würstchen aus. Aber auch das scheint nur so. Der neue  Schüler der Finsternis, Kylo Ren (Adam Driver), ist, wie wir erfahren, der Sohn von Leia und Han und zögert nicht eine Sekunde, seinen Vater zu töten. Das hat seine eigene Logik, die Softie-Ausgabe der Sith korrespondiert mit der aktuellen Wirklichkeit. Wo Darth Vader noch schnaufte und sich abquälte in inneren Kämpfen, wird jetzt lächelnd und leichthin ein Leben genommen. Ganz ohne Pathos, einfach so.

Wirklich schlecht ist die deutsche Synchronisation des Films. Armselige Phrasen wie »Was wird das denn da hinten, wenn´s fertig ist?« häufen sich und erwecken das heftige Bedürfnis nach der Originalversion. Kaum denkbar, dass eine amerikanische Produktion so schlampig und achtlos mit der Sprache verfährt. Nirgends in der Welt werden so viele Filme übersetzt wie in Deutschland und man darf befürchten: Es wird auch nirgendwo so schlecht gemacht. Hier klingt es wie ein Serien-O-Ton, die Sprache  erreicht einfach kein Filmformat, geschweige denn das Universum – sie ist zu platt. Hoffentlich wird es im nächsten Teil besser, die nächste Episode wird bereits gedreht.

Für diesmal endet der Film mit der Aussicht des Guten. Im letzten Filmbild, hoch auf den Klippen, da steht er und dreht sich langsam um – der letzte Jedi-Ritter, Luke Skywalker, ist wieder da. Natürlich in der Darstellung von Mark Hamill, der ebenfalls das Rentenalter erreicht hat. Ganz und gar treu geblieben sind sich die beiden Maschinenfreunde C-3PO und R2-D2 – letzterer zwar vorübergehend im Koma vor Kummer, aber dann wieder erwacht. Gott sei Dank, sie haben kein Update verordnet bekommen. Dass es so etwas noch gibt! Möge die Macht mit ihnen sein, dass sie so bleiben dürfen.

Star Wars: Episode VII - Das Erwachen der Macht, 2015, US. Laufzeit 136 Minuten, FSK 12