Film

Die Zähmung der Bäume

Ute Hallaschka

Iwanischwilli, der ehemalige Premierminister Georgiens sammelt hundertjährige Bäume für seinen Privatpark. Er kauft sie auf. Sie werden entlang der georgischen Küste aus Bauernhöfen und Feldern entwurzelt und mit einem gewaltigen technischen Aufwand über Land und Wasser transportiert. Die Menschen, denen sie geraubt werden, sind aus Angst und Armut ohnmächtig etwas dagegen zu tun. Im Film heißt es meist »der mächtige Mann« und es ist tatsächlich eine Mutprobe sich vor der Kamera zu äußern. Umso erstaunlicher wie offen es geschieht.

Zwei Jahre lang hat das Filmteam spontan gedreht bei jeweiligen Wind- und Wetterbedingungen die Reise der Baumriesen dokumentiert. Man meint einen Spielfilm zu sehen oder einem Shakespeare Stück – dem wandernden Wald von Macbeth – beizuwohnen, so bizarr sind die Schreckensbilder. Raubbau an der Erde, Entwurzelung als Gegenbild der Schöpfung, vor dem absurden Hintergrund der Ästhetik eines reichen Machthabers, der sich damit seinen privaten Garten Eden leistet. Nun – ist diese Perspektive gar nicht so weit von uns im begüterten Westen, wie es scheint ...

Das besondere dieser Dokumentation: Sie klagt nicht an. Aber sie klagt. Im archaischen Sinne eines griechischen Dramas und das ist kathartisch. Was wir sehen ist der Missbrauch der Erde, aber wie wir es sehen, ist wunderschön und damit umso schmerzlicher. Die Bilder sind reine poetische Imagos. Wie der Baum wandert, mit seinem ausgeschnittenen Erdballen auf einem Floß übers Meer fährt oder durch die Dörfer rollt. Flankiert von Bewohnern, die Handy Fotos schießen oder still weinend danebenstehen. Unterlegt von einer Komposition aus Klanggeräuschen, Naturlauten und Stockhausen Musik. Die knappen Dialoge spielen jeweils in einer menschlichen Gemeinschaft. Der Arbeitstrupp, die Dorfbewohner, die familiäre Generationenfolge. Auf den Punkt bringen es meist die resoluten Großmütter. Eine möchte am liebsten mit dem Krückstock zuschlagen und verhindern, dass ein Lebewesen, dass sie seit Generationen kennt als schützenden und hilfreichen Begleiter derart behandelt wird. Der Baum wird als Sinnbild zur Persönlichkeit.

Die Technik dagegen wird nicht als Feindbild aufgefasst, sondern ebenso wesentlich behandelt. Geradezu eurythmisch in Szene gesetzt in Ballen und Lösen. Im Wechsel von Nahaufnahme und Totale. Wenn beispielsweise ein Bagger von weitem aufgenommen durch die gewaltige Landschaft fährt, wirkt er winzig und fragil mit seinem geneigten Schaufelärmchen und es wird unmittelbar begreiflich: die Gewalt die von dieser Maschine ausgeht, liegt nicht in ihr. Es ist der Mensch, der sie benutzt. Dazu wird auch die Technik imaginativ. Wir sehen ein sich drehendes, spiraliges Bohrgestänge, dann greifen Menschen zu und schieben das Schraubgestänge in ein Rohr, das an einem Kran hängt. Als nächstes Bild bohrt sich dieses Rohr in die Erde, während nebenan Röhren aus dem Erdreich ragen wie Mundöffnungen oder Bauchhöhlungen.

Was man sieht ist tatsächlich eine Operation am offenen Herzen der Erde. Wer das sieht, der kann nicht anders als tief ergriffen, sich als ihr Hüter zu fühlen und als ihr Heiler entwickeln zu wollen. Dieser außergewöhnliche Film gehört unbedingt zum Bildungskanon der Gegenwart.

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