Humor als Lebenskraft

Ute Hallaschka

Es ist das tragikomische Kammerspiel einer Kindheit im Ruhrgebiet der 1970er Jahre. Hier liegen die Wurzeln von Kerkelings Humor. Der kleine pummelige Junge wächst im Kreis einer Großfamilie auf, die nicht nur unerschütterlich zusammenhält, sondern sich im Wortsinn als tolerant erweist. Man erträgt einander in dieser unkonventionellen Familienkonstellation und damit das Leben, so wie es eben ist. Das sorgt nicht nur für unerschütterliches Vertrauen, sondern auch für eine Art Immunität. Der kleine Hape wird niemals zum Opfer der Umstände. Nicht nur der große Bruder, der ihn aus kindlichen Schlägereien rettet, sondern auch die Großeltern trösten und schützen ihn. So kommt man im Lauf des Films auf den Gedanken: Das, was Kinder in Außenseiterposition zum wehrlosen Opfer macht, liegt vielleicht weniger an ihrer Eigenart als an unserer aktuellen Familienstruktur. Es fehlt der zwischenmenschliche Schutzraum.

Hape wird gespielt von Julius Weckauf. Ein Meisterstück des Castings, denn er sieht dem realen Komiker täuschend ähnlich, aber auch eine Meisterleistung des kindlichen Darstellers. Der Zehnjährige spielt seine Rolle so dezent, dass er jede Übertreibung vermeidet. Das hätte ja furchtbar schiefgehen können, als buchstäbliche Vorführung eines Kinderstars. Doch Julius spielt mit herzerfrischender Unbefangenheit und ebenso herzerreißend in der Darstellung der tragischen Geschehnisse.

Kerkelings Komik ist frühem Leid entsprungen. Seine Mutter litt an Depressionen, die schließlich zu ihrem Selbstmord führten. Das Kind ist ständig bemüht, sie aufzuheitern und macht sich nach ihrem Tod Vorwürfe, sich nicht genug angestrengt zu haben, ihr mit Witzen das Leben zu erleichtern. Das ist ein Tiefenblick in eine Kinderseele. Wir vergessen leicht, wie unmittelbar sich Kinder verantwortlich fühlen für alles, was in ihrem Leben geschieht.

Der Film vermittelt die Ernstnahme des Humors als Lebenskraft. Auch das eine aktuelle Mangelerscheinung. Klamauk und Comedy werden schriller und seichter, zum Leben sind sie wenig hilfreich.

»Der Junge muss an die frische Luft« zeigt dagegen die Kindlichkeit der Heiterkeit, die sich der erwachsene Kerkeling offenbar bewahrt hat. Ein Familienfilm, der gut tut.

Der Junge muss an die frische Luft, Komödie von Caroline Link, 100 Min. Deutschland 2018, FSK 6 Jahre