Ein angebliches Steiner-Zitat

Lorenzo Ravagli

Allerdings finden sich die beiden Sätze in der Gesamtausgabe der Schriften und Vorträge Rudolf Steiners nicht. Das Zitat muss deshalb als »nicht authentisch« – um nicht zu sagen erfunden – bezeichnet werden.

Einzig in einer Ansprache an einem Elternabend der Stuttgarter Waldorfschule am 22. Juli 1923 stößt man auf eine Passage, die entfernt ähnlich klingt, in der allerdings nicht von »Angst, Ehrgeiz und Liebe« die Rede ist, sondern von Furcht, Hoffnung und Liebe: »Nicht nur mit dem Intellekt muss verfolgt werden, was wir mit der Waldorfschule wollen, sondern auch geliebt werden muss es. Und ist die Gesinnung der Eltern in solche Liebe getaucht, so werden wir nicht nötig haben, unsere Kinder zu erziehen in der Furcht und in der Hoffnung, den zwei heute zwar gebräuchlichsten, aber schlechtesten Erziehungsmitteln. Das beste Erziehungsmittel aber ist und bleibt die Liebe, und in einer von Liebe getragenen Erziehungskunst kann das [Eltern-]Haus die Schule stark unterstützen.« (22.06.1923, GA 298, S. 196.)

Bis zum Beweis des Gegenteils sollte davon Abstand genommen werden, die eingangs zitierte Maxime Steiner zuzuschreiben. Benutzen kann man sie natürlich trotzdem – nur nicht unter Berufung auf ihn. Sollte eine hinreichend abgesicherte mündliche Tradition existieren, die das »Zitat« als authentisch ausweist ist, wird die Erziehungskunst gerne darüber berichten. Sie nimmt auch Informationen zu etwaigen anderen Urhebern des Zitats entgegen.

Kontakt: ravagli@waldorfschule.de