Medien

Humor mit Jan Böhmermann

Petra Mühlenbrock
Screenshot Magazin Royale

Der Ehrlichkeit halber muss gesagt werden, dass nach dem ersten Durchlauf betretenes Schweigen herrschte. Mit «Na, wollt ihr ganz schnell die Schule wechseln?» versuchte ich, den Bann zu brechen. Ein mehrfaches «Ja» kam mir entgegen, das nicht sehr humorvoll klang. Kein Wunder! Es ist nie einfach, durch den Kakao gezogen zu werden, und besonders junge Menschen in der Pubertät reagieren darauf höchst empfindlich. Kurz habe ich mich gefragt, ob die Idee ein Fehler war. Dann meldeten sich zum Glück die ersten mit ihren Kommentaren. Wir trugen zusammen, was wir spontan lustig fanden (Ich persönlich hab mich schlapp gelacht, als das Waldorf-Schild im Hintergrund «appe Ecken» bekam!) und wo einem das Lachen im Halse stecken blieb.

Die Frage nach der Finanzierung («Das Land hat 5 Millionen in die Finanzierung der Waldorfschulen gesteckt.») deckte schließlich als erste deutlich auf, auf welche Weise Böhmermann arbeitet: Wenn man weiß, dass das Land «nur» ca. 70 Prozent der Gesamtkosten trägt und der Rest von Eltern aufgebracht werden muss, erscheint diese Zahl gleich in einem ganz anderen Licht! – «Das heißt dann also, dass Staatsschulen 30 Prozent mehr Geld vom Land erhalten?» Fächerübergreifend konnte hier gleich ein bisschen Dreisatz geübt werden! – Einmal auf dieser Spur, stellten die NeuntklässlerInnen fest, dass die Meldungen über die gewalttätigen Übergriffe von Waldorflehrer:innen zwar schrecklich sind, aber leider in der Schullandschaft in ihrer Gesamtheit keine Ausnahme: Ja, auch Staatsschullehrer:innen sind keine Engel! Apropos Engel: Hier trafen verschiedene Meinungen in der Klasse aufeinander. In der Unterstufe hatte es «viele Engel im Klassenzimmer» gegeben (herrlich, diese Doppeldeutigkeit!). Einigen war das zu viel gewesen, anderen nicht. Auf meine Frage, ob denn je etwas von der (nebenbei sehr witzig illustrierten) Erdentwicklung nach Rudolf Steiner im Unterricht verlautbart worden sei, kam jedoch ein einstimmiges «Nein». Ist also richtig, was Böhmermann sagt: Anthroposophie ist KEIN Unterrichtsgegenstand! Und da stimmt er sogar mit Herrn Steiner überein!

Empörend wurde der Subtext zum Nationalsozialismus empfunden. Wenn man weiß, dass die Waldorfschulen in der Nazizeit schließen mussten, ist es schon schräg, immer wieder politisch in die rechte Nähe gerückt zu werden. Wir sprachen in diesem Zusammenhang auch über Veränderungen im Gebrauch der Alltagssprache («Seit Hitler sagt kein Mensch mehr ‹Arier›, das hat er gründlich missbraucht. Es sagt ja auch keiner mehr das ‹N…›-Wort!»), über Rudolf Steiner als Menschen des beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts, als Kolonialismus noch zur Politik gehörte. Es wurde ein spannender Unterricht, der die Zeit im Flug vergehen ließ! Natürlich wurde auch über Esoterik und Corona gesprochen (und gelacht!), aber das würde den Rahmen hier sprengen.

Im Ergebnis wurde jedenfalls deutlich: Satire darf – beinahe – alles ohne Rücksicht auf Empfindlichkeiten (das musste auch Herr Erdogan schon lernen). Und es wurde eines klar: Jan Böhmermann hat zwar insgesamt gut recherchiert, aber die Art, wie er Informationen illustrierte, aus einem Gesamtzusammenhang riss oder mit Mimik und Gestik persiflierte, ließ die Sendung zu einer manipulativen Darbietung werden. So lehrte uns Herr Böhmermann nicht nur etwas über Satire, sondern schulte nebenbei auch die Medienkompetenz der Vierzehnjährigen! Danke, Herr Böhmermann! Und was ist nun Humor? Genau: Humor ist, wenn man trotzdem lacht! Und gelacht haben wir viel.

Hinweis: Das »Magazin Royale«, auf das der Artikel Bezug nimmt, wurde am 18.11.2022 vom ZDF ausgestrahlt.

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