Kein Platz für legasthenische Kinder?

Esther-Juliane Schuppart-Flechsig

Mein Sohn wurde nach einem Umzug nicht an einer Waldorfschule behalten, weil er eine Lese-Rechtschreibschwäche hat. Der Lehrer, so hieß es, könne das alleine nicht auffangen. Auch nicht, wenn ich als Mutter einen Förderlehrer organisiere, da das Kind dann merken würde, dass mit ihm etwas nicht in Ordnung sei. Und ihn zwischendurch aus dem Unterricht zu nehmen, das ginge auch nicht. Meinem Sohn, der jetzt in die 7. Klasse gekommen ist, ist klar, dass er ein Defizit hat. Dass er nicht in der neuen Klasse bleiben kann, versteht er allerdings nicht. Er verstehe sich doch so gut mit den neuen Klassenkameraden. Es sei eine »coole« Klasse und er hätte sich nur ein bisschen Unterstützung gewünscht … Es half nichts, er musste gehen. Ich kann den Klassenlehrer gut verstehen, weil ein legasthenisches Kind mehr Arbeit macht. Aber warum reden die Lehrer nicht mit den Kindern? In dieser Klasse waren wohl noch zwei weitere Kinder mit ähnlichen Schwierigkeiten.

Ich war dann mit den verschiedensten Menschen darüber im Gespräch, und nach drei weiteren Absagen erklärte sich schließlich eine staatliche Schule mit angeschlossener Förderschule und einem sehr motivierten Kollegium bereit, meinen Sohn zu nehmen. Es ist eine Gesamtschule – die Waldorfklassenlehrer hatten mir nahegelegt, ihn auf den Sonderschulzweig zu geben und ihn auf den sonderpädagogischen Status testen zu lassen. Das hätte ich auch alles mitgemacht, wenn ich nicht ein Gespräch mit einem erfahrenen Oberlandesschulbeamten gehabt hätte …

Wie wollen die Waldorflehrer in Zukunft mit dem Legasthenieproblem umgehen, was wünschen sie sich? Immerhin sind fünf Prozent der Kinder und Jugendlichen davon betroffen. Sie aus den Klassen zu komplimentieren, ist keine Lösung.

Zur Autorin: Esther-Juliane Schuppart ist ehemalige Waldorfschülerin.