Masernimpfung heute: auch eine soziale Frage

Von Till Reckert, Februar 2020

Besonders gefährdet bei Masernausbrüchen sind Kinder unter 1-2 Jahren. Überwinden sie das Masernvirus nicht richtig, kann es sich im Gehirn festsetzen und es einige Jahre später langsam zerstören.

Säuglinge können erst ab dem 9.-11. Monat geimpft werden. Von ihren geimpften Müttern bekommen sie einen Nestschutz für drei bis vier Monate, sind also länger gefährdet als Säuglinge von früher selbst erkrankten Müttern.1

Zumeist hat man andere bereits mit Masern angesteckt, bevor man weiß, dass man Masern hat. Einen Schutz für Säuglinge erreicht man heute also nur, wenn Masernviren nicht mehr zirkulieren. Masernimpfungen schützen einen selbst und indirekt auch andere, die sich (noch) nicht impfen lassen können. Masernschutz ist daher auch ein gesamtgesellschaftliches Projekt, das weltweit verfolgt wird. Hieran knüpft das Masernschutzgesetz² an.

Im Folgenden stelle ich die Situation im heutigen Deutschland rund um Masern und Masernimpfung dar. Dies ist unabhängig von dem Masernschutzgesetz bedeutsam, insbesondere für Familien mit Kindern in waldorfpädagogischen Einrichtungen: In Baden-Württemberg konnte 2014-2018 bei den Einschulungsuntersuchungen vier- bis fünfjähriger Kinder in den Waldorfkindergärten bei circa 79 Prozent der Impfstatus ausgewertet werden. Von diesen Kindern waren in Waldorf­einrichtungen rund 68 Prozent wenigstens einmal und rund 57  Prozent zweimal gegen Masern geimpft. Zum Vergleich: In öffentlichen Kindergärten konnte bei 93 Prozent der Impfstatus ausgewertet werden und es waren rund 96 Prozent einmal und 90 Prozent zweimal geimpft.3

Masern: Das Krankheitsbild

Masern sind eine hochansteckende Tröpfcheninfektion. Sie werden übertragen fünf Tage vor bis vier Tage nach Beginn des Hautausschlags.4 Acht bis zwölf Tage nach der Ansteckung beginnen Symptome wie bei einem normalen fieberhaften Infekt und am zwölften bis 14. Tag können weiße Pünktchen in der Wangenschleimhaut gesehen werden. Jetzt erst kann man Masern vermuten. Dann kommt es zu einem zweiten Fieberanstieg bis über 41 Grad und es tritt, hinter den Ohren beginnend, der typische fleckförmig-zusammenfließende, verquollene Hautausschlag für drei bis vier Tage auf. Der Patient ist nun schwerkrank, lichtempfindlich, stark verschleimt und hustet heftig für etwa sieben Tage.5 Danach heilen die Masern zumeist komplett aus. Dabei schwächt sich das Immunsystem vorübergehend ab.

Masernkomplikationen

Zwischen 2008-2018 hatten laut den infektionsepidemiologischen Jahrbüchern des Robert-Koch-Institutes (www.rki.de) 94 Prozent der Masernkranken in Deutschland keine Komplikationen. Von den verbleibenden sechs Prozent der Patienten erlitten zu je ein bis drei Prozent eine Mittelohrentzündung, eine Lungenentzündung oder eine »andere Komplikation« und 0,2 Prozent eine Maserngehirnentzündung. Es starben in Deutschland in diesem Zeitraum bei über 10.000 Erkrankten drei Patienten akut an Masern: 2011 ein junger Mann, 2015 ein ungeimpftes, herzkrankes Kleinkind in Berlin und 2017 eine einmal geimpfte 37-jährige Mutter. Nach einer Maserninfektion im ersten bis zweiten Lebensjahr tritt bei mehr als einem von tausend Erkrankten eine subakut sklerosierende Panenzephalitis SSPE auf. Diese chronische Gehirnentzündung führt nach jahrelang voranschreitender Behinderung zum Tod. Das Statistische Bundesamt verzeichnete zwischen 2007 und 2015 29 Todesfälle durch SSPE in Deutschland. Schon bei Einführung der Masernimpfung in den 1960er Jahren war bekannt, dass insbesondere milde und frühe Masern­infektionen einer SSPE vorausgehen. Man hatte daher Sorge, dass eine künstlich gesetzte Impfinfektion SSPE verursachen könne. Darum wurden in vielen Ländern mit Einführung der Impfung ein SSPE-Register etabliert. Die hieraus verfügbare Literatur zum epidemiologischen Zusammenhang zwischen Masernimpfung und SSPE zeigt: In Ländern mit hoher Impfquote und folgendem deutlichen Rückgang der Masernzahlen gingen auch die SSPE-­Zahlen zeitlich um mehrere Jahre verzögert um über 90 Prozent zurück. Impfviren verursachten keine SSPE.6

Masernhäufigkeit in Deutschland

Schnelllebige Medien betonen derzeit in jedem ungeraden Jahr, dass Masern in Deutschland »viel häufiger als im letzten Jahr« vorkämen. Auf längere Sicht werden Masern in Deutschland aber seltener, vor allem bei Kindern vom zweiten bis zum neunten Lebensjahr. In der Vorimpfära bekamen vor allem Kinder dieses Alters Masern. Heute sind relativ gesehen eher Erwachsene, ältere Jugendliche und Säuglinge ungeschützt und damit betroffen. Die offizielle Statistik aller nach dem Infektionsschutzgesetz gemeldeten Erkrankten seit 2001 kann individuell konfiguriert über das Abfragewerkzeug SurvStat@RKI (https://survstat.rki.de) abgefragt werden. Die absolut meisten Säuglinge unter einem Jahr erkrankten seither  2015 (200), 2002 (156) und 2017 (121). Über die Hälfte der Erkrankten sind gegenwärtig volljährig. Unzureichend geschützte Jugendliche und Erwachsene (jünger als Jahrgang 1970) mit weniger als zwei Impfungen sollen sich zwar nachimpfen lassen, haben dies aber oft nicht im Bewusstsein. Säuglinge können nicht beliebig früh gegen Masern geimpft werden.

Die Masernimpfung

Die Masernimpfung ist eine Lebendimpfung mit abgeschwächten Masernviren und wird zusammen mit abgeschwächten Viren gegen Mumps, Röteln und auch Windpocken verabreicht. Ein Maserneinzelimpfstoff ist in Deutschland und in der EU nicht zugelassen. Impfziel ist der Individualschutz vor Krankheitskomplikationen sowie der Gemeinschaftsschutz besonders Gefährdeter, die nicht geimpft werden können wie Säuglinge oder Immungeschwächte. Weltweit sollen die Masern eliminiert werden. Dies setzt voraus, dass man Infektketten durch fortgesetztes Impfen unterbrechen kann. Mit einer weltweiten Ausrottung der Masern rechnet die WHO derzeit nicht vor 2100.7 Bei konkreter Ansteckungsgefahr wirkt die Impfung sofort, oft sogar noch innerhalb von 72 Stunden nach mutmaßlicher Ansteckung.

Eine Masernimpfung wurde in den frühen 1970er Jahren in Deutschland eingeführt. Ein Zweidosenschema wurde in der ehemaligen DDR ab 1983 (also für heute unter 36-Jährige) und in ganz Deutschland ab 1991 (also für heute unter 28-Jährige) empfohlen. Seit 2001 empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) am Robert-Koch-Institut die erste Masernimpfung in Kombination mit Mumps, Röteln und Windpocken mit elf bis 14 Monaten und eine Wiederholung mit 15 bis 23 Monaten. Wegen großer Impflücken bei den Erwachsenen sollen sich seit 2010 alle nach 1970 Geborenen einmal gegen Masern, Mumps und Röteln impfen lassen, wenn sie keine Masern hatten und bisher gar nicht oder nur einmal geimpft wurden. Die Schutzimpfungsvereinbarungen der Bundesländer setzen diese Empfehlungen in öffentliches Landesrecht um. Das Land Sachsen hat als einziges Bundesland eine eigene Impfkommission. Diese empfiehlt wie einige andere euro­päische Länder die zweite MMR-Impfung entgegen der Stiko im vierten Lebensjahr. Wie gut wirkt die Impfung? Nach den infektionsepidemiologischen Jahrbüchern des RKI 2008 bis 2018 erkrankten in diesem Zeitraum 10.519 Menschen in Deutschland an Masern. Von diesen waren rund 79 Prozent ungeimpft, rund zwei Prozent waren zeitgerecht zweimal und weitere rund zwei Prozent einmal geimpft. Bei dem Rest war der Impfstatus aus verschiedenen Gründen nicht bewertbar. Bei dem Masernausbruch in Berlin 2014/15 mit 1.344 Erkrankten und einem mittleren Alter von 17 Jahren zeigte sich, dass zwar selten, aber insbesondere bei den über 31-Jährigen (mildere) Erkrankungen auch dann beobachtet werden konnten, wenn sie in der Kindheit zweimal geimpft worden waren. Dies wurde als mögliches sekundäres Impfversagen gewertet.8 Auch andere Ausbruchsuntersuchungen unter Erwachsenen zeigen, dass sehr frühes Impfen langfristig zu weniger individuellem Schutz führen kann.9 Die kluge Wahl der Impfzeitpunkte trägt also zum nachhaltigen Impferfolg bei. Heute kann man jedoch sagen: In Deutschland ist Nichtimpfen noch der häufigste Grund für Impfversagen und weiterbestehende Infektketten. Und da nachzuholende Impfungen im Jugendalter oft vergessen bleiben, wäre es tragisch, wenn Waldorfschulabsolventen in die Welt ziehen und Masern z.B. in ein Entwicklungshilfeprojekt exportieren. Mögliche Nebenwirkungen der Masern-Mumps-Röteln-Impfung sind: Vorübergehende Lokalsymptome, Fieber, Hautausschlag (nach ein bis zwei Wochen »Inkubationszeit«). Selten können Fieberkrämpfe, noch viel seltener ein vorübergehender Blutplättchenmangel vorkommen. Durch die Rötelnkomponente kann es (seltener als bei Röteln) zu vorübergehenden Gelenkschmerzen kommen. Es gibt Einzelberichte über allergische Allgemeinreaktionen und neurologische Symptome. 2014 sind in Deutschland zwei Kinder mit einem bis dahin unbekannten kombinierten Immundefekt an der MMR-Impfung verstorben. Wäre dieser Immundefekt bekannt gewesen, hätte es sich hierbei um eine MMR-Impfkontraindikation gehandelt.10 Es konnte kein Zusammenhang zwischen der MMR-Impfung und Typ1-Diabetes, Asthma, Leukämie, entzündlichen Gehirnerkrankungen, Morbus Crohn oder Autismus nachgewiesen werden.

Merkblatt der anthroposophischen Ärzte

Warum sind in waldorfpädagogischen Einrichtungen die Impfquoten niedriger? Dies kann verschiedene Gründe haben.11 Ein Grund bei der Masernimpfung ist, dass Masern seitens der Anthroposophie auch als eine Herausforderung für den sich entwickelnden Leib verstanden werden. Habe das Kind diese Herausforderung mit hohem Fieber gemeistert, könne es seinen Körper besser individualisieren – was Kindern, die ernste Komplikationen erleiden, allerdings wenig nützt. Zu diesem Gesichtspunkt gehört ein heute kaum noch vorkommendes Erkrankungsalter von zwischen zwei und neun Jahren. Dies wurde in den Merkblättern der Gesellschaft anthroposophischer Ärzte in Deutschland (GAÄD) immer mit aufgeführt. Die aktuell gültige Auflage des Masernmerkblattes der GAÄD betont den angesichts gegenwärtiger Masernepidemiologie wichtigeren sozialethischen Aspekt der Impfung stärker als bisher und empfiehlt sie daher früher.12

Das Dilemma bei der Masernimpfpflicht

Die Masernimpfung ist heute auch zu einer Aufgabe des Schutzes der Schwächsten in der Gesellschaft geworden. Dieser Aspekt muss in einem Aufklärungsgespräch immer berücksichtigt werden. Hier knüpft das im November verabschiedete Masernschutzgesetz an. Als Dilemma bleibt aber: Eine medizinische Maßnahme hat nach der Genfer Deklaration für Ärzte und nach dem Grundgesetz mit dem informierten Einverständnis des autonomen Patienten zu geschehen oder im Falle von nicht einwilligungsfähigen Kindern ihrer sorgeberechtigten Eltern. Dies sorgt dafür, dass sich Patient und Arzt mehr auf einer Erkenntnis- und weniger auf einer Machtebene begegnen, was für eine moderne Arzt-Patienten-Beziehung als angemessen angesehen wird. Erkenntnis- durch Machtfragen zu ersetzen, ist auch beim Masernschutz ethisch13 und juristisch14 hinterfragbar. Das Masernschutzgesetz selber wird viele juristische, soziale und bürokratische Auswirkungen haben, die die Stuttgarter Rechtsanwaltskanzlei Keller und Kollegen am 14.11.2019 für die Vereinigung der Waldorfkindergärten in einer Handreichung aufgeführt hat (im Internet zu finden).

Schlussfolgerung

Einerseits wird heute in Kreisen, die der anthroposophischen Medizin nahestehen, anders über die Masernimpfung gedacht als noch vor 50 bis fünf Jahren. Andererseits empfinden verschiedene, auch anthroposophische Verbände das Masernschutzgesetz als unangemessen und kontraproduktiv für die derzeitige Situation in Deutschland. Sie werden daher auch gut vorbereitete Klagen Betroffener vor dem Bundesverfassungsgericht unterstützen. Diese sind möglich, sobald das Gesetz wirkt. Zweiteres sollte Impfunentschlossene jedoch nicht von Ersterem ablenken.

Zum Autor: Dr. Till Reckert arbeitet in einer Kinder- und jugendärztlichen Gemeinschaftspraxis.

Anmerkungen: 1. Guerra, F. M. et al. Waning of measles maternal antibody in infants in measles elimination settings - A systematic literature review. Vaccine 36, 1248–1255 (2018). 2. Die Bundesregierung. Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention (Masernschutzgesetz). (2019). 3. Dilger, C., Leher, A. & Pfaff, G. Masern-Impfstatus bei Kindern in Waldorf-Kindertageseinrichtungen 2014-18. Berichtsband zur 6. Nationalen Impfkonferenz 2019 144–7 (2019). 4. Robert Koch-Institut. Masern RKI-Ratgeber für Ärzte. (2019). 5. Ehrenstein, C. Zahl der Maserntoten: Regierung muss Impfgegnern in einem Punkt recht geben. DIE WELT (2018). 6. Campbell, H., Andrews, N., Brown, K. E. & Miller, E. Review of the effect of measles vaccination on the epidemiology of SSPE. Int. J. Epidemiol. 36, 1334–1348 (2007). 7. WHO. Meeting of the Strategic Advisory Group of Experts on Immunization, October 2019: conclusions and recommendations. Weekly Epidemiological Record 94, 541–60 (2019). 8. Bitzegeio, J., Majowicz, S., Matysiak-Klose, D., Sagebiel, D. & Werber, D. Estimating age-specific vaccine effectiveness using data from a large measles outbreak in Berlin, Germany, 2014/15: evidence for waning immunity. Eurosurveillance 24, 1800529 (2019). 9. Serres, G. D. et al. Higher Risk of Measles When the First Dose of a 2-Dose Schedule of Measles Vaccine Is Given at 12–14 Months Versus 15 Months of Age. Clin Infect Dis. 55, 394–402 (2012). 10. Mentzer, D. & Keller-Stanislawski, B. Daten zur Pharmakovigilanz von Impfstoffen aus dem Jahr 2014. Bulletin zur Arzneimittelsicherheit 12–19 (2016). 11. Pfaff, G. Die Eliminierung von Masern und Röteln aus Deutschland: Fortschritte und Hindernisse. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 56, 1222–4 (2013). 12. https://t1p.de/masern-gaaed 13. Deutscher Ethikrat. Impfen als Pflicht? Stellungnahme. (2019). 14. Rixen, S. Verfassungsfragen der Masernimpfpflicht: Ist die Impfpflicht nach dem geplanten Masernschutzgesetz verfassungswidrig? (2019).

Kommentare

Anna Sophia Hellmich, Bremen, 20.02.20 10:02

Dieser in sich sehr schlüssig verfasste Artikel stimmt mich nachdenklich in zwei Punkten: Wohin führt die Tatsache, dass der Einzelimpfstoff gegen Masern in Deutschland nicht zugelassen ist? Dass die Masernimpfung damit gesetzmäßig ganz selbstverständlich nur innerhalb einer Vierfachimpfung möglich ist, hat gravierende Folgen. Mit der Masernimpfpflicht wird die parallel dazu stattfindende flächendeckende Impfung gegen Mumps, Röteln und Windpocken sozusagen stillschweigend mit erzwungen. Aus meiner Sicht ist es dringend notwendig, zumindest die Einzelimpfung zu ermöglichen.
Auch sei der Gedanke geäußert, dass es viel Sinn machen würde, wenn sich jeder Mensch, egal welchen Alters, der sich in ein Entwicklungsland begeben möchte, verpflichtend gegen Masern impfen lassen muss. So ließe sich dieser Sorge zuvorkommen und es bliebe den übrigen 99,999% der hiesigen Bevölkerung bzw. denjenigen, die den Impfstoff gesundheitlich nicht vertragen, erspart…

Till Reckert, 25.02.20 21:02

Sehr geehrte Frau Hellmich,
Masernimpfstoff haben wir als Dreifachkombination gegen Masern, Mumps und Röteln. Windpocken können wir einzeln impfen, Mumps und Röteln nicht. Zu dem indischen Maserneinzelimpfstoff, den man theoretisch aus der Schweiz importieren kann hat sich Dr. Rabe hier kompetent geäußert: https://www.impf-info.de/die-impfungen/masern/289-masern-einzelimpfstoff-nicht-nur-vom-deutschen-ethikrat-gefordert.html. Er empfiehlt ihn aus juristischen und medizinischen Gründen nicht. Fairerweise hätte Herr Spahn sein "Masernschutzgesetz" eigentlich "Masern-Mumps-Rötelnschutzgesetz" nennen müssen, dann wäre drin gewesen, was draufsteht. Bei Windpocken ist wichtig zu wissen, dass bei der vorherigen Novelle des Infektionsschutzgesetzes eine 16-tägige Quarantäne für ungeimpfte Kinder nach Windpockenkontakt eingeführt wurde - von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt.
Der Punkt mit dem Entwicklungsland ist natürlich richtig, löst aber nicht das Problem der hiesigen Säuglinge. Till Reckert

Stefan Padberg, 26.04.20 15:04

Zwei Fragen stellen sich mir nach der Lektüre:

1. Warum wurde die Produktion des Maserneinzelimpfstoffs Rouvax eingestellt? Ich vermute hier rein ökonomische Überlegungen, die vor dem geschilderten rechtlichen Hintergrund inakzeptabel sind.

2. Ist es ein realistisches Ziel, eine Krankheit "ausrotten" zu wollen? Oder ist das nicht eher eine technokratischem Denken entspringende Hybris? Was ein Arzt mit seinem Patient im Einzelfall an therapeutischen Maßnahmen verabredet, ist eine Sache. Aber die verpflichtende Durchführung von therapeutischen Maßnahmen ohne Berücksichtigung des Einzelfalls, i.e. des Gesundheitszustandes, insbesondere ob nicht vielleicht schon Antikörper oder eine Infektion vorhanden sind, ist meiner Ansicht nach medizinisch fragwürdig und unethisch. Hier steht doch das Recht des Einzelnen auf körperliche Unversehrtheit höher als das Recht eines anderen, nicht zu erkranken, scheint mir, zumal diese Erkrankung mit einer nur sehr niedrigen Wahrscheinlichkeit üerhaupt passiert.

Till Reckert, 27.04.20 21:04

Sehr geehrter Herr Padberg,
Ad 1.) Impfstofffirmen operieren international. Für Ihre Frage bin ich insofern der falsche Adressat.
Ad 2.) Niemand spricht davon, dass Masern in absehbarer Zeit praktisch ausgerottet werden könnten, nichtmal die WHO (http://www.who.int/wer/2019/wer9447/en/). Den feinen Unterschied zum Begriff der Masernelimination habe ich beschrieben. Dies ändert aber nichts an Ihrer sehr grundsätzlichen Frage, ob hier technokratisches Denken generell zu einer gewissen Hybis führe. Gerade in heutigen Zeiten lernen wir, dass Demut der Natur gegenüber mit unserem Willen, die Natur auch mit technischen Mitteln und durch gesellschaftlichen Zusammenhalt einzuhegen, sich im Gleichgewicht befinden muss. Das ist bei der Frage gegenüber den Masern auch nicht anders. Viele Grüße und alles Gute Ihnen, Till Reckert

Lisa Dorff, 24.06.20 19:06

Ich finde Mehrfachimpfungen auch fragwürdig - das Argument unseres Kinderarztes war, dass eine statt mehrerer Spritzen weniger traumatisch für das Baby sei. Da fehlt auf jeden Fall Aufklärung über die einzelnen Krankheiten und es sollte die Möglichkeit geben, ohne Schwierigkeiten auszuwählen, gegen was geimpft werden soll.

Es gibt zum Thema Impfung einen wunderbaren Dokumentarfilm, "Eingeimpft" von David Sieveking, eine Auseinandersetzung eines Impfbefürworters, dessen Frau Impfgegnerin ist. Er geht das Thema offen und differenziert an.

Rudolf Steiner sollte im Kontext gelesen werden, er hat z.B. gesagt, Linkshändigkeit sei keine Stärke der linken, sondern eine (karmisch vererbte) Schwäche der rechten Hand (Kindersprechstunde, Michaela Glöckler) und deshalb wurden bis in die 2000er-Jahre an Waldorfschulen Kinder angeleitet, mit der rechten Hand zu schreiben. Das wurde inzwischen zumindest an der Waldorfschule, die meine Kinder besuchten (die Jüngste ist noch dort) aufgegeben. Dass es heilsam sein soll, eine Krankheit zu durchleben, die in manchen Fällen tödlich verläuft, fällt für mich argumentativ in eine ähnliche Kategorie - auch die Antroposophie muss sich weiterentwickeln und überkommene und vor allem wissenschaftlich widerlegte Ansichten und Methoden ablegen. Das wäre jedenfalls eher im Sinn Steiners.

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