Warum mir immer übel wird, wenn ich den Begriff »Klimawandel« höre

Knut Johannes Rennert

Die Frage ist doch gar nicht, ob es tatsächlich eine Klimaerwärmung gibt, oder nicht? Für jeden denkenden und beobachtenden Menschen dürfte heute eigentlich unmittelbar zu erleben sein, dass wir so nicht weiter machen können, wie bisher und zwar gleichermaßen in Bezug auf die Mitmenschen, die Natur und den Organismus Erde. Glücklicherweise gibt es Menschen und Argumente, die für einen Klimawandel, und solche, die dagegen sprechen - das ist gut so! Weniger gut ist, dass in dieser Diskussion Ideologien gebildet werden, moralische Ausgrenzungen geschehen und Ängste erzeugt bzw. geschürt werden. Dies ist der Moment, in dem sich große Verbände und die Politik einklinken, denn mit Ängsten lässt sich Geld verdienen und Profil, Macht und Einfluß gewinnen bzw. stärken. Dabei entgleitet das der Aufmerksamkeit, worum es eigentlich geht: um Mutter Erde und unser Verhältnis zu ihr.

Die Dinge, die Johannes Kiersch so wunderbar darstellt, ins praktische Leben zu führen, ist eben alles andere als einfach. Im Andersdenkenden den Freund zu sehen, weil er einem ein Stück Welt zeigt, welches man selber nicht sehen kann; ihm dankbar zu sein, weil er einem damit hilft, die eigenen Gesichtspunkte zu prüfen, zu klären und auch zu formulieren - das ist schwierig und immer wieder eine Herausforderung für die innere Übung.

Dass dies nur unzureichend gelingt, ist in Bezug auf die Fragen der Ökologie, das Begreifen der Erde und des Kosmos als Organismus und für das Erkennen der Zusammengehörigkeit von Mensch und Erde schlichtweg eine Katastrophe. Die Menschen, die an Rudolf Steiner anknüpfend in dieser Richtung versucht haben, tragende Begriffe zu erarbeiten, Zusammenschau zu leisten und neue Ansätze zu entwickeln, wie, unter anderen, Guenther Wachsmuth, Walther Cloos, Dankmar Bosse und Ekkehard Wroblowski, werden bis heute ob ihrer Versuche heftig angegriffen, ohne dass eine lebhafte und weiterführende Diskussion darüber entsteht. Warum das so ist, wird durch Kierschs Darstellung leicht verständlich - und jeder, der schon einmal versucht hat, eine Erkenntnis deutlich auszusprechen, hat es schon leidvoll erfahren: Erkenntnisse und Ideen erscheinen zunächst in Form von Dogmen und sind darauf angewiesen, dass sie freundlich behandelt und in eigene Zugänge zur Wahrheit verwandelt werden.

Doch wird es nicht Zeit, an dieser so wichtigen Stelle umzuschwenken und sich endlich zu trauen, auf Basis der anthroposophischen Arbeit eine neue Ökologie zu begründen? Und der entscheidende Grundzug dieser neuen Ökologie ist durch die Ideen Steiners, der genannten Persönlichkeiten und vieler anderer unmittelbar einsichtig: Mensch und Erde sind nicht getrennt zu sehen, sondern letztlich ein Wesen. Mensch und Erde entwickeln sich nicht nur gemeinsam, sondern der Mensch ist Ursprung und Ziel der Weltentwickelung. Das meint: In allem, was auf der Welt geworden ist, und auch in dem, wie die Welt geworden ist, steckt der Mensch darinnen. Der Mensch ist nicht ein evolutionäres Endprodukt der Schöpfung, welches nun beginnt, diese zu unterwerfen und zu zerstören. Vielmehr ist er von Urbeginn Gestalter dieser Schöpfung.

Der Mensch erscheint in körperlicher Gestalt auf der Erde und fängt damit an, die Landschaften der Erde auch äußerlich zu gestalten. Diese Arbeit an der Erde ist zunächst noch sehr weisheitsvoll und lebt in inniger Verbindung mit der Schöpfung. Sie umfasst, soweit nicht schon vorher angelegt, die Anlage von Landschaften als Ökosysteme, von Songlines, Laylines, energetischen Orten, verbunden mit Gestaltung des Klimas usw. und die Entwickelung von Kultur in Form von Kunst, Wissenschaft und Religion, in der Ursprung, Wesen und Zukunft der Erde zunächst noch bildhaft, später auch begrifflich im Bewusstsein erscheinen. Wie tief diese Weisheit war, lässt sich erahnen, wenn man sich deutlich macht, welch großartige und heute nicht mehr nachzuvollziehende Leistung die Kultivierung unserer Nutzpflanzen und Nutztiere vor ungefähr 10.000 Jahren bedeutet. Diesem Schritt zur Gestaltung der Erde folgte ein nächster zur Ausbeutung der Erde mit all den erkannten und vermuteten Folgen, die uns heute beschäftigen. Doch auch damit bleibt der Mensch Gestalter der Erde, allerdings mit dem Unterschied, dass die Weisheit schwindet und durch Egoismus ersetzt wird.

Die damit in Gang gesetzte Spirale der Zerstörung ändert aber eben nichts an der Tatsache, dass der Mensch Teil und Gestalter der Erde ist. Dieses positiv zu begreifen, fällt zugegebenermaßen heute schwer. Doch ist meine feste Überzeugung, dass durch konservative Maßnahmen und den Versuch, wenigstens in einzelnen Reservaten alte Zustände zu erhalten bzw. wieder herzustellen, das Blatt nicht gewendet werden kann. Wir müssen uns klar dazu bekennen, dass es auf uns ankommt, dass Erde und menschliche Verhältnisse in Zukunft so sein werden, wie wir das wollen, wie wir das anlegen. Aber wissen wir denn, abgesehen von unseren Träumen und Reparaturbedürfnissen, was wir wollen, wie eine zukünftige Erde mit Menschen aussehen soll? Oder denken wir pessimistisch: Das Beste für die Erde wäre das Austerben der Menschheit? Können wir eine gemeinsame Zukunft von Mensch und Erde überhaupt denken?

Diese Fragen müssen wir breit diskutieren und mutig mit Forschungen beginnen. Der Impuls, die Erde zu heilen, ist sicher löblich, aber mutig und mit wieder zunehmender Weisheit die Erdenzukunft zu gestalten ist unsere Aufgabe.

Umweltverschmutzung, Klimaerwärmung usw. sind dabei natürlich Probleme, die wir nicht beiseite wischen dürfen, doch wenn wir den Blick frei bekommen, sehen wir noch viel mehr: Alte Menschheiten haben z.B. die Natur mit ihren Gesängen, ihrer Musik, ihren Tänzen erschüttert und damit gepflegt. Wir dagegen verbreiten unbedacht Lärm über die ganze Erde, was die Substanz der Erde und ihre Selbstheilungskräfte in einer tieferen Schicht angreift. Wo wird dagegen heute noch gesungen und für die Natur, z.B. für ein getötetes Tier, musiziert, getanzt, gebetet? Ist es wünschenswert, die zukünftige Erde als bedeckt mit Solar- und Windkraftanlagen vorzustellen? Dies nur um anzudeuten, dass noch viel mehr Problembereiche bestehen, als wir gemeinhin denken wollen. Die Zukunft der Erde zu denken, bedeutet auch, unser ganzes Leben neu zu denken. Ganz abgesehen davon, dass immer deutlicher wird, dass die Zukunft der Erde nicht ohne die menschlichen und sozialen Verhältnisse gesehen werden können und zwar nicht nur im Sinne Brechts »erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral«.

Ich denke, dass es darauf ankommt, in noch viel mehr Bereichen Ansätze zu entwickeln, die substanziell und spirituell gleichzeitig sind, wie Steiner es für die Landwirtschaft als Umgang mit den Präparaten angeregt hat.

Um hier gemeinsam weiter zu kommen, brauchen wir freundlich-herzhaften Streit, ein Gefühl der Gemeinschaft mit Mitmensch und Schöpfung und Mut zu forschen und zu handeln.

Link: Susanna Kümmel und Albrecht Schad »Warum so ideologisch?«