Freie Bildung in Europa – Zwischen Autonomie und Geldmangel

Walter Hiller

Ein Drittel der Teilnehmer durfte man als »waldorfnah« bezeichnen. Der Reigen der Konzepte spannte sich von freien, demokratischen bis zu »charakterbildenden« Schulen in Spanien, die sich auf den Begründer des Jesuitenordens berufen. Bei aller Verschiedenheit der Konzepte und internen Strukturen ist allen etwas gemeinsam: die Ungleichbehandlung durch den Staat, was den rechtlichen Status und die Finanzierung anbetrifft.

Gemeinsam war auch das Interesse daran, wie es den nichtstaatlichen Schulen in den jeweils anderen Ländern ergeht und welche Möglichkeiten der Veränderung bestehen. Verschiedene Aktionen, etwa die »Elternlobby« aus der Schweiz  (www.elternlobby.ch), die »Aktion mündige Schule« aus Schleswig-Holstein (www.freie-schule.de), die »Volksinitiative Schule in Freiheit aus Berlin/Brandenburg« (www.schule-in-freiheit.de) und das Elternbündnis »Freie Schulwahl« aus Österreich (www.freieschulwahl.at) konnten zwar von gewissen Erfolgen berichten, wirkliche Durchbrüche bezüglich einer tatsächlich freien Schulwahl und einer gerechten Finanzierung der öffentlichen Aufgabe »Schule« sind allerdings noch Zukunftsmusik. Gemeinsam war den Teilnehmern auch die Frage, ob sich aus der Existenz einer Grundrechtecharta der Europäischen Union, besonders dem Artikel 14, Absatz 3, Veränderungen erzielen lassen. Dieser Artikel 14 besagt, dass nicht nur jeder ein Recht auf Bildung hat und der Erhalt einer Grundbildung unentgeltlich sein muss, er  betont auch, dass Eltern aus religiösen, weltanschaulichen und pädagogischen Gründen Einrichtungen gründen oder wählen dürfen. Die Wahrnehmung und Praxis dieser Freiheiten müssen sich allerdings in Übereinstimmung mit den nationalen Gesetzen befinden.

Vertreter der Organisationen EFFE (European Forum for Freedom in Education, www.effe-eu.org) und ELIANT (Europäische Allianz von Initiativen angewandter Anthroposophie, www.eliant.eu) konnten von ihrer Lobby-Arbeit in Brüssel berichten, aber auch nur bestätigen, dass sich das »offizielle Brüssel« nicht mit Bildung befasst und die Grundrechtecharta nicht die Möglichkeit enthält, juristisch-politischen Druck auf die Mitgliedsstaaten auszuüben. Rechtlich beschreibbare Ungleichbehandlungen und Nachteile können erst, wenn sie national von Gerichten anerkannt werden, auch auf europarechtlicher Ebene, etwa vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (Straßburg) verhandelt werden. Anwesende, an ihren Schulen aktive Eltern, mochten sich spätestens jetzt denken, dass sie im günstigsten Fall als Großeltern Erfolge auf diesem Weg »durch die Instanzen und Institutionen« erleben können. Auch der EU-Parlamentarier Gerald Häfner (Die Grünen) konnte keine schnellen Siege versprechen.

Das Treffen war dennoch keine Zeitverschwendung, zeigte es doch  anhand verschiedener Beispiele, wie auf nationaler Ebene ein Zuwachs an Verständnis für ein freies Bildungswesen und ein gesteigertes Interesse und Engagement der politischen Entscheidungsträger durch beharrliche Auf­klärungsarbeit zu erreichen ist. Eltern aller Schulen sollten sich noch viel bewusster auch ihrer politischen Verantwortung für ihr jeweiliges Bildungswesen sein. Oder haben wir kein besseres verdient?