Aber es ist die persönliche Nähe Eschens zum Homer-Übersetzer Johann Heinrich Voß, zum Philosophen Fichte und der von ihm geförderten Studentensozietät der »Freien Männer« in Jena sowie zu dem Pädagogen Herbart, die Eschen in das Zentrum dieser Dokumentarbiografie rücken lässt. Sie stützt sich auf 85 Briefe von und an Eschen, die Michael Wortmann entdeckt hat und hier erstmalig publiziert, sowie auf diverse Kontextquellen. Diese Quellen erlauben dem kundigen Leser den Blick auf Bekanntes, erschließen aber auch Neuigkeiten aus dem Ende eines »Pädagogischen Jahrhunderts«, das sich durch universal-kosmopolitische Ansprüche zu Wort gemeldet hatte.
Wer sich die Lektüre vornimmt, der lässt sich nicht auf einen kleinen Nachmittagsspaziergang ein, vielmehr auf eine mehrwöchige Wanderung. Die Wanderung, beginnend in Eutin, lädt zu längerem Verweilen im dortigen fürstbischöflichen Landschaftsgarten ein und setzt sich mit einer akademischen Pilgerreise von Eutin nach Jena fort. Dort kommt es zu einem Ausflug zum romantischen Künstlertreffpunkt Giebichenstein bei Halle, und schließlich geht es zu Fuß nach Bern, dokumentiert in Eschens »Journal meiner Reise von Jena nach der Schweiz«. Es sind Orte, die nicht nur geografisch kartografiert sind, sondern sich auch auf einer geistesgeschichtlichen Landkarte finden lassen. Es ist keine terra incognita, durch die der Leser geführt wird. Man kann sich an bekannten Namen orientieren: in Eutin an J. H. Voß, in Jena an den Philosophen J. G. Fichte und den Frühromantikern Schelling und Schlegel, sowie an den Pädagogen Herbart und in der Schweiz an Pestalozzi. Die meisten stammen aus dem Bekannten- und Freundeskreis Eschens. Der Leser wird Zeuge der Entstehung, aber auch der Entzweiung von Beziehungen vor dem Hintergrund der Spätaufklärung und Frühromantik. Man könnte meinen, das Interesse Wortmanns an dem Thema sei vor allem wissenschaftsgeschichtlich begründet. Ein solches Interesse des Verfassers ist nicht zu bestreiten, das 18. Jahrhundert ist ein Jahrhundert voller Überraschungen. Dennoch ist es wohl nicht Zufall, dass der Autor das Bekenntnis »Ich bin hoffnungslos 18. Jahrhundert« von Jürgen Habermas zitiert, ist es doch ein Erkennungszeichen für die, die das Anregungspotenzial der Spätaufklärung unausgeschöpft sehen.
Wortmann hat nicht nur einen hervorragenden Beitrag geleistet zur weiteren Aufklärung der pädagogischen Theorie Herbarts, sondern zugleich und damit zusammenhängend einen detailreichen Beitrag zur Personen- und Wirkungsgeschichte der Jenaer Freien Männer. Die Darstellung beruht auf aufwändigen Recherchen, die umfangreich dokumentiert und zum Teil erstmalig publiziert werden.
Mit der gewinnbringenden Lektüre sollte ohne Aufschub begonnen werden.
Michael Wortmann: Der Freie Mann Friedrich August Eschen (1776 – 1800). Aus der Zeit Großer Klassiker, Biografie, Briefe, Werke, Kontexte, Pädagogik, Rezeption, 849 S., mit CD-ROM, 30 Abb., EUR 75,–, Verlag Ch. Möllmann, Borchen 2017