An einem Strang ziehen. Elternarbeit im Waldorfkindergarten
Denkt man an »Elternarbeit« im Waldorfkindergarten fallen einem Elternabende, Gartenaktionen und Listen mit Wäscheplänen, Kuchenbacken, Spendenbitten und Aufrufe zu diversen Aktivitäten ein – doch ist das sicher nur der kleinste Teil. Elternarbeit heißt Einführung in die Waldorfpädagogik und Hilfestellung bei allen familiären Fragen.
Der Alltag im Kindergarten hat zwei Seiten: zum einen ist dort die alltägliche Arbeit mit den Kindern. Zusammen mit den Kolleginnen versuche ich ihnen einen Raum zu geben, in dem sie sich bestmöglich entfalten und entwickeln können. Sie sollen
den Tages-, Wochen- und Jahresrhythmus mit der Gruppe erleben und gestalten, gemeinsam unsere Feste vorbereiten und feiern. Alltagsgeschehen eben. Einen ebenso großen Raum sollte die »Elternarbeit« einnehmen. Und mit »Elternarbeit« meine ich nicht nur die Einführung der Eltern in die Pädagogik des Waldorfkindergartens. Ich meine auch: Sich-Zeit-Nehmen für die unterschiedlichen Anliegen der Eltern, Informationen, Hilfestellung bei Erziehungsfragen, Aufklärung und ein »zur Seite stehen«, auch bei persönlichen Anliegen, wie Fragen zur familiären Situation, Trennung und Scheidung, Behördengänge, Anträge ausfüllen für bestimmte Fördermaßnahmen und dergleichen.
Elternabende und Lesekreise
Herzstück der Elternarbeit im Kindergarten sind die pädagogischen Elternabende, an denen wir die Eltern mit unserer Pädagogik vertraut machen, aber ebenso wichtig ist die Bereitschaft für das offene Gespräch. Es ist wichtig für den Aufbau einer Beziehung zu den Eltern der uns anvertrauten Kinder, blicken wir doch von verschiedenen Seiten auf das Kind, aber immer mit dem Willen, das Bestmögliche für eben dieses Kind zu erreichen. Durch meine langjährige Tätigkeit als Spielgruppenleiterin konnte ich intensiveren Kontakt zu den Eltern der kleinen Kinder aufbauen, als dies im Alltagsgeschehen des Kindergartens zuweilen möglich ist.
Mein Anliegen war es damals, alle vierzehn Tage einen Elternabend anzubieten, an dem sich die für die Waldorfpädagogik relevanten Themen mit handwerklichem Gestalten abwechselten.
Diese Elternabende waren auch für die Kindergarteneltern offen. Im Lauf der drei- bis vierjährigen Kindergartenzeit sollte den Eltern die Möglichkeit gegeben werden, sich mit Fragen zu beschäftigen, die ihre Kinder und das Familienleben betreffen.
Gleichzeitig war es uns ein Anliegen, den Eltern handwerkliche Fähigkeiten zu vermitteln, dass sie zu Hause Spielzeug und jahreszeitliche Basteleien herstellen konnten. So wird die Kindergartenpädagogik auch äußerlich sichtbar in die Elternhäuser getragen.
Als in der Elternschaft der Wunsch geäußert wurde, sich mit Steiners Schriften zu beschäftigen, entstand ein Lesekreis, bei dem wir uns mit »Die Erziehung des Kindes vom Gesichtspunkt der Geisteswissenschaft« beschäftigten und uns ein halbes Jahr lang vierzehntägig trafen, zum Teil auch in den Küchen der Eltern, wenn gerade einmal kein Babysitter aufzutreiben war.
Im Laufe der Zeit mussten wir jedoch feststellen, dass immer weniger Eltern zu diesen Elternabenden kamen.
Oft lag das nicht an einem fehlenden Interesse, sondern an mangelnder Kraft und Zeit. Die moderne Familie mit ihren veränderten Ansprüchen und Idealen hat häufig zwei Verdiener. Mütter, die zu Hause bleiben und sich ausschließlich der Kindererziehung widmen, sind selten geworden. Die Alleinerzieherfamilien mit Babysitter- und Geldproblemen haben zugenommen, die persönlichen Bedürfnisse der jüngeren Eltern haben sich verändert und häufig scheint es nicht genug Zeit und Kraft zu geben, sich abends noch einmal »aufzuraffen«, um in den Kindergarten zu kommen.
Eine Kindergartenzeitung für Eltern im Alltagsstress
Wir reagierten auf diese Veränderungen, indem wir eine eigene Kindergartenzeitung herausgaben. Mit Hilfe mehrerer Eltern, die sich um Druck, Satz, Anzeigenakquise und dergleichen kümmerten, wurde mit unserer Zeitung ein neues Forum für die Vermittlung pädagogischer Themen, aber auch für Rezepte, Bastelanleitungen, Berichte aus den Gruppen und Gremien aufgebaut, das sich dann auch einige Jahre hielt, und von der Elternschaft sehr positiv aufgenommen wurde.
Heute praktizieren wir in unserem Kindergarten wieder eine andere Art von Elternarbeit. Immer noch kommen nur wenige Mütter und Väter zu den pädagogischen Elternabenden. Wir fangen das als Kollegium ab, indem wir die pädagogischen Themen in Kurzform vor die Gruppenelternabende legen. So nutzen wir die Chance, möglichst viele Eltern zu erreichen, denn das Interesse an den internen Gruppenelternabenden ist in der Regel größer.
Wir treffen uns mit allen Eltern gemeinsam in unserer Eingangshalle, erörtern ein pädagogisches Thema und gehen anschließend in die einzelnen Gruppen, um interne, terminliche und strukturelle Dinge zu besprechen.
Elternsprechstunden kommen an
Neu hinzu gekommen sind unsere Elternsprechstunden, die auf sehr gute Resonanz stoßen. Einmal pro Quartal bieten wir den Eltern Gesprächstermine an, bei denen wir die Möglichkeit haben, gemeinsam auf ihr Kind und seine Entwicklung, auf familien- oder kinderbezogene Fragen oder Probleme zu schauen. Auf diese Weise können wir den persönlichen Kontakt zu den Familien intensivieren und auf individuelle Wünsche und Themen stärker eingehen, als dies auf den Gruppenelternabenden möglich ist.
Manchmal laden wir auch die Eltern zu uns in die Sprechstunde ein, wenn wir Fragen oder Beobachtungen mit den Eltern teilen möchten. Wir wünschen uns, dass auch in Zukunft der Austausch und die Kommunikation für Eltern und Erzieher so wichtig bleiben wie bisher und dass es gelingen wird, uns immer wieder anzupassen und offen zu bleiben für die Bedürfnisse zukünftiger Elterngenerationen.
Wünschenswert wäre es, wenn die unteren Klassen der Schule und der Kindergarten zukünftig verstärkt gemeinsame pädagogisch arbeiten könnten. Im Zuge der Früheinschulung und der in diesem Zusammenhang erforderlichen Umstrukturierung der Unterstufe würde es sich anbieten, stärker »an einem Strang zu ziehen« und miteinander zu denken und zu handeln.
Zur Autorin: Barbara Leineweber ist Dipl.-Pädagogin und Waldorferzieherin in Gladbeck.
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