Kinder und Jugendliche gegen Covid-19 impfen?
In der Öffentlichkeit wird vermehrt um die Impfung von Kindern und Jugendlichen geworben, obwohl die Ständige Impfkommission und die WHO sich gegen eine allgemeine Impfempfehlung ausgesprochen haben. Eltern müssen sich entscheiden, wie sie im Sinne ihrer Kinder handeln.
Georg Soldner ist langjähriger Kinder- und Jugendarzt, Leiter der Medizinischen Sektion am Goetheanum zusammen mit Matthias Girke, Dornach/Schweiz, und Leiter der Akademie Anthroposophische Medizin in der Gesellschaft Anthroposophischer Ärzte in Deutschland GAÄD. Er nimmt zu den Fragen um das Impfen von Kindern und Jugendlichen gegen Covid-19 Stellung.
Frühe Kindheit: Sind Kinder von Covid-19 gefährdet? Gehören Kinder zu einer sogenannten vulnerablen Gruppe?
Georg Soldner: Kinder sind – abgesehen von schweren, seltenen Grunderkrankungen – von COVID-19 kaum gefährdet. Insbesondere tödliche Verläufe kommen in Ländern mit einer guten medizinischen Versorgung wie in Deutschland fast nie vor – noch seltener als bei der Ansteckung mit Grippeviren. Das gilt nicht ganz in gleichem Maße z.B. für die USA, wo sehr viel krassere Unterschiede im Sozialen anzutreffen sind und leider auch sehr viel mehr fehlernährte Kinder leben.
FK: Wenn Kinder an Covid-19 erkranken – wie schwer ist der Krankheitsverlauf, gibt es Folgeschäden?
GS: Es gibt eher im mittleren Kindesalter das sogenannte Multiinflammatorische Syndrom, medizinisch heute PIMS abgekürzt, das als Nacherkrankung nach einer COVID-Infektion – die die meisten Kinder mit geringen oder auch ohne Krankheitssymptome durchmachen – auftreten kann. Dieses Syndrom können wir klinisch –teils mit, teils ohne Intensivstation – gut behandeln. Folgeschäden können auftreten, wirklich anhaltend bleibende Schäden aber sind sehr selten. Es gibt auch Kinder mit »Post-COVID« – ohne dass wir wirklich verlässliche Zahlen dazu haben – aber sehr viel seltener als »Post-Lockdown«-Kinder und weit seltener als Erwachsene mit »Post-COVID«. Zu »Post-COVID« im Kindesalter möchte ich darauf hinweisen, dass es ähnliche »postvirale Syndrome« nach einem Pfeifferschen Drüsenfieber (EBV-Virus) oder z.B. dem HHV-6-Virus gibt und dass diese im übrigen mit anthroposophischer Medizin meist gut behandelbar sind, während wir schulmedizinisch bei COVID-19 außer der Akutmedizin bei schweren Verläufen (wie PIMS) wenig Therapieoptionen haben. Und das betrifft nur eines von mehreren tausend infizierten Kindern – mit besten Heilungschancen. Ausnahmen sehen wir am ehesten bei schweren Grunderkrankungen – das gilt dann aber auch für andere Viren –, insbesondere wenn auch Übergewicht besteht. Fehlernährung erhöht die Anfälligkeit.
FK: Der mRNA-Impfstoff von Biontech ist speziell für Kinder und Jugendliche entwickelt worden. Wie wirkt dieser Impfstoff und bietet er tatsächlich Schutz?
GS: Dieser Impfstoff ist keineswegs speziell für Kinder und Jugendliche entwickelt worden, sondern es handelt sich nur um eine für Kinder und Jugendliche im Pubertätsalter entwickelte Anwendung und Zulassungsstudie des Impfstoffes. Technisch handelt es sich um die gleiche Substanz wie bei Erwachsenen. Der Impfstoff selbst wirkt ähnlich wie eine technisch imitierte Virusinfektion und aktiviert so das Immunsystem.
FK: Sind Nebenwirkungen bei Kindern oder bei Jugendlichen bekannt?
GS: Was uns aktuell beschäftigt, ist das Risiko impfungsbedingter Herzmuskelentzündungen bei Geimpften gerade im Pubertäts- und jungen Erwachsenenalter. Dass diese Folge der mRNA-Impfstoffe sein können und durchaus auch 12- bis 17-Jährige betreffen, gilt inzwischen als gesichert, wobei Jungs bzw. junge Männer häufiger betroffen sind. Allerdings heilen auch diese Entzündungen in der Regel meist aus, ohne dass wir bereits ein Langzeitwissen dazu haben. Akut und damit vorübergehend leiden viele Geimpfte an Schmerzen und Müdigkeit. Es gibt aber auch andere, wenngleich seltene bis sehr seltene Nebenwirkungen. Wir können auch vereinzelte Todesfälle nach Impfung nicht ausschließen, da diese bei Erwachsenen ja aufgetreten sind, allerdings bevorzugt in höherem Alter. Auch wenn inzwischen in anderen Ländern Millionen von Kinder und Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren geimpft worden sind, so ist dies ohne sauber vergleichende Impfregister erfolgt, die einen wirklichen Vergleich von Geimpften und Nicht-Geimpften ermöglicht hätten. Die STIKO hat nicht ohne Grund keine allgemeine Impfempfehlung gegeben: Wir wissen schlicht bisher nicht, ob wir mit dem Impfen mehr Schaden für die Geimpften anrichten als mit der spontanen Infektion in diesem Alter, die wie die mRNA-Impfstoffe bei den meisten eine Immunität hinterlässt. Erst kürzlich hat Prof. Mertens, STIKO-Vorsitzender, in einem Interview betont, dass der Weg zur Herdenimmunität im Kindesalter ebenso über die natürliche Infektion wie durch eine Impfung erfolgen kann. Im Einzelfall, bei Kindern mit schweren Grunderkrankungen oder im Umfeld hoch gefährdeter Menschen kann eine Impfung sinnvoll sein. Und nochmals: Der Weg über eine Spontaninfektion im Kindesalter kann für Kinder und Jugendliche durchaus als ein relativ sicherer Weg der Immunisierung gelten – und angesichts von 1,9 Milliarden Kindern auf der Welt muss man auch sagen, dass wir die Finanzen im Gesundheitssystem deshalb lieber dort einsetzen sollten, wo es um massive Gefährdungen der Gesundheit – nicht zuletzt auch der seelischen Gesundheit – geht. Deshalb sieht auch die WHO zu Recht keinen Grund, in armen Ländern Kinder zu impfen. Der Skandal ist doch der, dass in diesen Ländern keine Impfstoffe für die gefährdeten Erwachsenen zur Verfügung stehen, während wir die Säuglingsimpfung debattieren.
FK: Wie sieht die Datenlage für kleinere Kinder, für Babys aus? Moderna und auch Biontech forschen an einem Impfstoff ab sechs Monaten.
GS: Daten gibt es keine. Eine allgemeine Indikation für Kinder in diesem Alter – das sehe ich sehr deutlich anders als Herr Drosten, dem jede pädiatrische Expertise fehlt – sehe ich so wenig wie für eine flächendeckende Grippeimpfung im Kindesalter. Vielmehr sehe ich hier eine nicht zu verantwortende Fehlinvestition von anderswo und global dringend benötigten finanziellen Ressourcen im Gesundheitssystem. Dass Herr Spahn mit seiner biographisch verbürgten Nähe zur Pharmaindustrie die Kinderimpfung positiv bewertet, steht auf einem anderen Blatt.
FK: Was spricht dagegen, Kinder zu impfen?
GS: Zuerst, dass Kinder und Jugendliche lebenslang mit SARS-CoV-2-Viren leben werden. Denn dieses Virus, das auch in Katzen und Hunden überdauern und von Geimpften weitergegeben werden kann, wird nicht verschwinden und auch weiter mutieren. Deshalb spricht alles dafür, dass diejenige Generation, die für ihr Erwachsenenalter einen Schutz braucht, diesen als Kinder und Jugendliche möglichst natürlich erwirbt und eine nachhaltige Immunität aufbaut. Wir sollten uns bewusst sein, dass eine Impfimmunität nicht einer natürlichen gleichzusetzen ist – letztere ist breiter und damit lernfähiger angelegt, auch wenn sie nicht gleich unbedingt stärker ist. Aber jede Immunität wird durch wiederholten Erregerkontakt erst konsolidiert, verstärkt, nachhaltig. Und damit kann wahrscheinlich ein wiederholtes und ja keineswegs risikofreies Impfen vermieden werden und sich allmählich auf natürliche Weise eine nachhaltige Immunität in der Bevölkerung entwickeln. Dann spricht dagegen, dass mRNA-Impfstoffe zu sehr wirksamen, aber auch tief eingreifenden Impfstoffen gehören, die nicht frei von schweren Nebenwirkungen sind und deren Langzeitwirksamkeit und -sicherheit völlig unbekannt ist. Persönlich halte ich bei diesem Wissensstand bereits Impfstudien bei Säuglingen und Kleinkindern für ethisch problematisch.
FK: Wie kommt es, dass die Stiko und die WHO keine allgemeine Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche aussprechen, die Politik diese Einschätzung aber nicht teilt?
GS: »Die Politik« sind Menschen: Menschen, die wie Frau Merkel, Herr Spahn und Herr Scholz keine Kinder haben, Menschen, die keine Kinderärztinnen und -ärzte anhören, sondern Virologen, die entgegen aller klinischer Erfahrung immer noch Kinder zu Treibern der Pandemie erklären oder wie Herr Lauterbach absurde Zahlen von Long-Covid bei Kindern zum Besten geben, bei denen wir praktizierende Kinderärzte uns nur ungläubig die Augen reiben. »Die Politik« lässt Zehntausende Wählerinnen und Wähler in Fußballstadien auch ohne Masken grölen, während sie von Wechselunterricht für Kinder und Jugendliche im Herbst erzählt. Kinder sollen ja nicht um ihrer selbst willen geimpft werden, sondern um Erwachsene vor Infektionen zu schützen, obwohl diese sich selbst schützen können, und damit Eltern die Ängste verlieren, die »die Politik« bei ihnen bewusst aufgebaut hat, um ihre Maßnahmen durchzusetzen. Objektiv waren Kinder die Hauptopfer der Pandemiemaßnahmen, die wirklich alle nicht um der Kinder, sondern um der Erwachsenen willen durchgeführt wurden. Das war anfangs begründet, das ist jetzt zunehmend obszön, wie so manches, was Kindern in unserer Gesellschaft angetan wird. Es geht doch real nicht darum, dass Kinder nicht von SARS-CoV-2 angesteckt werden – das sollten sie vielleicht besser früher als später – sondern dass wir sie vor Armut, Kinderpornographie, Vernachlässigung schützen, darum, dass wir wirkliche Kindheit ermöglichen, darum, dass wir die ständige Zunahme chronischer Erkrankungen im Kindesalter auf ihre wahren Ursachen hin befragen, und insbesondere das seelische Leid – therapiebedürftige seelische Störungen haben sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt.
FK: Was stärkt die Immunität und schützt vor schweren Krankheitsverläufen?
GS: Sonnenlicht, Bewegung, auch Sport im Freien und gesunde Ernährung: ein gesundes Gleich-Gewicht im Wortsinn: Der Abbau von Übergewicht ist ebenso wichtig wie die Prävention und Behandlung von Essstörungen. Dazu gehören selbst kochen, ausgewogen essen mit genügend Nahrungspausen, keine gesüßten Getränke. Ausreichend ungestörter Schlaf ist sehr wichtig, und die Basis sind Liebe, Interesse, Aufmerksamkeit, eine warme Beziehung zwischen Erwachsenen und Kindern und genügend echter Spielraum für Kinder und Jugendliche unter sich. Und ab der Adoleszenz: Einsatz für andere, sinnvolle Arbeiten vor allem in der Natur, für eine Oberstufe von Lehrerinnen und Lehrern, für Schülerinnen und Schülern als Gemeinschaftsaufgabe – ohne Eltern – und für und mit hilfsbedürftigen Menschen. Wer nicht für andere arbeitet, hat es schwer, zu sich selbst zu finden und damit auch sein immunologisches Selbst zu stärken.
Die Fragen stellte Ariane Eichenberg (Stand 7. Juli 2021)