Mütter sind keine Multifunktionswerkzeuge
Désirée Waterstradt ist Elternschaftsforscherin, lehrt an der Pädagogischen Hochschule in Karlsruhe und plädiert für eine Fortsetzung der Aufklärung in puncto Familie und Menschenbild, um neben Kindern auch Eltern in den Blick zu nehmen und der notorischen Überforderung, insbesondere der Mütter, entgegenzuwirken.
Hinweis: Der Artikel erschien im Winterheft 2020 der Zeitschrift »Frühe Kindheit«. Das Heft können Sie hier bestellen. Hefte, die älter als ein Jahr sind, stehen in unserem Archiv zum Download für Sie bereit.
Désirée Waterstradt im Gespräch mit Ariane Eichenberg
Frühe Kindheit | Familie und Elternschaft waren nicht immer so, wie wir sie heute denken und leben. Wie hat sich unser Familienmodell im Laufe der Zeit verändert?
Désirée Waterstradt | In Europa war über Jahrtausende das »Haus« die zentrale Institution. Diese Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft ging weit über das hinaus, was wir heute unter Familie verstehen. Es ging ums Überleben in hierarchischen Ordnungskonzepten, nicht primär um Gefühl, Nähe oder Verwandtschaft. Etwa im Mittelalter, da setzte der Grundherr zur Bewirtschaftung der Hauswirtschaftsgemeinschaften ein Arbeitspaar aus Hausvater und Hausmutter als Doppelspitze ein, genannt die »Älteren«, heute »Eltern«. Kinder waren Arbeitskräfte, sozialisiert durch Mitarbeit. Sie verließen spätestens mit zwölf bis vierzehn Jahren das Elternhaus, um als Magd, Knecht oder Lehrling in einem anderen Haus zu arbeiten beziehungsweise zu lernen. Diese Entfamiliarisierung des Sozialen begünstigte viele Entwicklungen: die Entstehung einer Jugendphase, Ablösung von den Eltern, Individualisierung, Mobilität oder Alterssicherung durch das Haus statt durch die Kinder. Nur Adelshäuser konnten Abstammung als Privileg pflegen. Grundlegende Veränderungen läuteten die Neuzeit ein. Frühkapitalismus und Wachstumswirtschaft mit den Prinzipien von Eigennutz und Konkurrenz entwickelten sich. In der entstehenden bürgerlichen Mittelschicht spaltete sich die wirtschaftliche Funktion des Hauses. Der Vater war zunehmend aushäusig und bezahlt tätig, die Frau blieb unbezahlte »Haus«-Frau und Mutter. Vom Hausgesinde blieben höchstens Putzfrau und Babysitter übrig, die aber nicht mehr zum Wir dazugehören. Kinder wurden zunehmend entpflichtet und schließlich zur Aufgabe der Mutter. Ihr Ausschluss aus dem bürgerlichen Emanzipationsprojekt ist bis heute ungelöst. Für die sich neu figurierende Lebensform kam das französische Wort »famille« auf. Sie wurde das Herzstück bürgerlicher Kultur und fundamentales Organisationsprinzip bürgerlicher Gesellschaften – mit systematischer Trennung von privater Familiensphäre und Öffentlichkeit, von weiblichem und männlichem Habitus. Bei der Entstehung bürgerlicher Schichten diente der neue Typus einer Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft zur Abgrenzung gegenüber Ober- und Unterschichten, wurde als Ideal überhöht, emotional aufgeladen und erfolgreich vom bürgerlichen Projekt der Aufklärung abgeschirmt. Trotz besseren Wissens aus Alltag, Geschichte, Ethnologie, Demografie oder Psychologie glauben wir bis heute an den Mythos der harmonischen Mehrgenerationenfamilie als unveränderliche Naturkonstante. Im weiteren Figurationswandel verschob sich der Mittelpunkt allmählich vom aushäusigen Vater Richtung Kind. Im bürgerlichen Projekt der Nationsbildung wuchs das Interesse am Kind, da es die Zukunft verkörpert. So gingen Nationalisierung und Pädagogisierung Hand in Hand, um aus Kindern Deutsche, Franzosen, Briten oder Amerikaner zu machen. Institutionen wie Kindergärten, Schulen, Jugendämter und Familiengerichte entstanden. Es ist also der gesellschaftliche Wandel, der unsere Familienformen figuriert – nicht einzelne Väter, Mütter oder Kinder. Das gilt auch für die Kindzentrierung.
FK | Wie hat sich Familie denn mit der Kindzentrierung verändert?
DW | Persönlichkeitsentwicklung und Bedürfnisse des Kindes haben Vorrang vor denen der Eltern. Der Erziehungsstil wird kindzentriert. Die emotionalen Bedürfnisse verlagern sich von der Partnerschaft zum Kind. Die für Eltern oftmals zermürbende Folge: aus dem Befehls- wird ein Verhandlungshaushalt. Eltern werden von der Autorität zum Sündenbock für gesellschaftliche Probleme. Etwa seit den 1970er Jahren hat sich die Machtbalance hin zur kindzentrierten Familie gewandelt.
Die Verantwortung für Gesellschaft und Sozialisation wird auf individuelle Eltern projiziert – alltagspraktisch und moralisch auf die Mütter. So scheint es, als hätte die Gesellschaft mit dem Wandel ihrer eigenen Verhaltens- und Empfindensstandards nichts zu tun und müsste sich auch aus Familien raushalten. Selbst wenn ich wollte, könnte ich nicht zu meiner Nachbarin hinübergehen und sagen, wenn ihr Kind sie immer wieder unverschämt angeht: »Sag mal, wie redest du eigentlich mit deiner Mutter?!« Das gilt als übergriffig.
FK | Sie sprachen davon, dass Kinder entpflichtet wurden. Was meinen Sie damit?
DW | Unsere Gesellschaft ist mittlerweile so ausdifferenziert, dass Kinder in einer Sonderwelt aufwachsen. Allein schon das Erleben der Arbeitswelt der Erwachsenen, geschweige denn Mitarbeit – das gibt es ja heute kaum noch, höchstens in der Landwirtschaft oder im asiatischen Geschäft, wo die Tochter an der Kasse steht. Aber das wird kritisch gesehen. Doch Kinder möchten in der »richtigen« Welt dabei und wirksam sein. Das macht sie stolz. Um jetzt mal etwas ganz Provokatives zu sagen: Ich glaube, wir sollten neu über »Kinderarbeit« nachdenken. Reicht es wirklich aus, Kinder mit Wissen und Erwartungen vollzustopfen? Sollten wir Kindern nicht Erfahrungen von Selbstwirksamkeit im ganz praktischen, alltäglichen Sinn von klein auf ermöglichen? Warum sollen Kinder nicht zuhause die Toilette und in der Schule ihr Klassenzimmer putzen? Oder warum sollen Zehnjährige nicht auf Fünfjährige aufpassen? Das war einmal das Normalste der Welt. Ich glaube, dass diese Rückbindung fehlt – nicht nur Kindern, sondern uns allen. Sollten wir nicht alle phasenweise in Kita, Bahnhofsmission, Flüchtlingsheim oder Krankenhaus arbeiten, einfach um die Begrenztheit unserer Erfahrungswelten zu überschreiten?
FK | Eines der höchsten Ziele in Gesellschaft und Erziehung ist die Entfaltung der persönlichen Individualität. Wie sehen Sie das?
DW | Leider ist die Vorstellung von Individualität von fatalen Missverständnissen und Selbstentfremdungen geprägt. Unser westliches Menschenbild ist das eines »homo clausus« (Norbert Elias): der Mensch als einsames wirloses Ich, als denkende Statue, verschlossenes Gehäuse oder asoziale Maschine. Als wäre das Individuum ein einsames fremdes Körnchen, das durch das Universum fliegt, getrennt von allem anderen. Kinder empfinden sich nicht so entfremdet – auch deshalb werden sie wohl idealisiert und sakralisiert. Und es braucht lange, bis sie dieses bizarre Selbstbild verinnerlicht haben. Es wurde über Jahrtausende von erwachsenen männlichen Denkern geprägt, ist hochgradig verkopft und selbstentfremdet. In der Kulturpsychologie wird es mittlerweile selbstkritisch als »weird« bezeichnet, also als eigenartig, komisch, bizarr, gruselig. Das Wort steht zudem als Abkürzung für »westlich, educated (gebildet), industrialisiert, reich, demokratisch«.
Doch weil wir diese Selbstsicht von klein auf verinnerlicht haben, tun wir uns schwer, sie zu verändern. Selbstverständlichkeiten in Verhalten und Sprache versperren uns den Weg zu einem zusammenführenden Denken in Verflechtungen und langfristigen Entwicklungsprozessen. Schon das englische Wort für Wissenschaft »science« bedeutet eigentlich »teilen«, »spalten«. Durch dieses Analysieren und Differenzieren ist unser Wissen auch enorm gewachsen. Aber wenn wir Überblick gewinnen wollen, brauchen wir Synthesemodelle, müssen das Verschiedene und die Vielheit zusammendenken. Das ist überfällig, um ererbte Missverständnisse zu überwinden, unter denen wir leiden, die wir aber weiter als Ideal für uns und unsere Kinder ansehen. Wir sollten unser historisches Wissen nutzen, um langfristige soziale Prozesse zu erkennen und uns darin zu verorten – ob Pandemien, Staats- und Wirtschaftsentwicklung oder Elternschaft. Auch der Vergleich mit anderen Gesellschaften ist wichtig, um Selbstverständlichkeiten zu hinterfragen.
FK | Was bringt ein verändertes Menschenbild Eltern und Kindern konkret?
DW | Ein völlig verändertes Selbstverständnis. Babys werden nicht als einsame vorsoziale Monaden geboren, die Beziehungsfähigkeit und Sozialität erst mühsam lernen müssen. Alles an uns ist von Anfang an auf soziale Beziehungen ausgerichtet – Ohren, Augen, Stimmbänder, Gesichtsmuskeln zum Lächeln. Wir sind offene Beziehungswesen – homines aperti, kein homo clausus! Kinder sind keine hochfragilen leeren Gehäuse, bei denen Mütter zunächst ganz vorsichtig ein Dyaden-Betriebssystem installieren müssen, das Väter dann zur Triade updaten. Sonst hätte die Menschheit schlicht nicht überlebt. Nein, Kinder bringen Sozialität mit, wenn auch in den Feinheiten unterschiedlich ausgestattet. Das große Interesse am Kind und einem besseren Verständnis psychosozialer Entwicklung ist gut, muss aber auf Erwachsene und Eltern erweitert werden, sonst werden Eltern und vor allem auch Mütter nur noch als Instrumente gesehen. Ohne diese Perspektivenerweiterung wird der Erwartungsdruck auf sie immer weiter wachsen. Fundiertes Wissen braucht es also nicht nur über Kindheit, sondern auch über Erwachsenheit, Familie und Elternschaft. Denn Eltern sind nicht überfordert, sie werden überfordert – und zwar systematisch und immer mehr. Das drückt sich auch in üblichen Etikettierungen aus wie »überforderte Mutter« oder »Helikoptermutter«, die auch in Fachkreisen vielfach an die Stelle von fundiertem Wissen treten. Das darf nicht so bleiben.
FK | Wie sehen Sie die Rolle von Müttern heute?
DW | Die Wertigkeit, die Müttern zukommt, hängt stark von den jeweiligen gesellschaftlichen Entwicklungen ab. Generell scheint es in männlich dominierten Gesellschaften aber zu einer Abwertung und Unsichtbarmachung von Mutterschaft, Fürsorge und dienender Führung zu kommen. Hierzulande haben wir damit besondere Probleme, wie zahllose Studien zeigen. Es wird aber schon bei Kleinigkeiten klar, etwa dem Schmähbegriff »Mutti« für Angela Merkel, der von männlichen Parteikollegen geprägt wurde, die in den 50er/60er-Jahren aufwuchsen und die sehr gut wissen, für welche Machtverhältnisse er steht. Wo Mütter hohe Wertschätzung und Ansehen haben, hätte er sich nicht entwickeln können.
Im westlichen Familienideal ist das Mutterbild hochgradig gespalten – Idealisierung und Abwertung sind zwei Seiten derselben Medaille. Weil wir Mutterschaft überhöhen, sehen wir in der sozialen Isolierung von Mutter und Kind keine Ausgrenzung aus dem Alltagsleben, sondern eine vermeintlich »natürliche« Dyade. Ein Blick in die Vergangenheit und andere Kulturen zeigt, dass das alles andere als normal ist oder dort keineswegs als ideal gilt. Bei uns soll die einzelne Mutter das Kind »sozialisieren«, eine Paradoxie schlechthin. Sie soll dem Kind »Gesellschaft« sein, und praktisch alles das leisten, was die Gesellschaft sich nicht zumuten will, weil sie Kinder eben nicht im Büro, Theater, Nachtleben oder auf der Straße haben will.
Eltern und vor allem Mütter sollen für unsere Gesellschaften eine Art Multifunktions-Tool sein, und jeder Experte hält Ratschläge parat, was sie noch so alles tun und optimieren sollten – ob bei Neurodermitis, Hausaufgabenproblemen oder im Straßenverkehr. Elternschaft ist zur »rush-hour of life« geworden, der Übergang nicht selten ein krisenhaftes Erlebnis. Eltern werden in Anforderungen, Erwartungen, Verdichtungen und Beschleunigungen hineingeworfen, die kaum jemanden interessieren oder überhaupt für möglich gehalten werden. Und wenn die Kinder dann wieder raus sind, fühlt man sich wie frisch aus der Waschmaschinenschleuder, schüttelt sich und denkt sich: War das jetzt wirklich, was ich zwei, drei Jahrzehnte erlebt habe?
Der Corona-Lockdown hat überdeutlich gezeigt, wie selbstverständlich unsere Gesellschaft Unmögliches von Eltern erwartet – vor allem von Müttern. Sie sollen berufstätig sein, für Haushalt, Partnerschaft, Freundschaften, Ehrenamt, eigene Eltern und sich selbst sorgen. Gleichzeitig haben sie die alltagspraktische und moralische Verantwortung, die Kinder mit allem zu versorgen – ob frische Socken, Geleit zum Schwimmunterricht, Bildungscoaching oder Trost bei der 5 im Zeugnis. Das alles bitte tiefenentspannt und unsichtbar hinter den Kulissen. Und wenn das nicht gelingt, können sie mit wenig Verständnis rechnen, sondern werden als Raben-, Kühlschrank-, Helikoptermutter oder Glucke geschmäht.
FK | Wie entkommt man diesem Schleuderprogramm?
DW | Einzelne Mütter oder Väter haben da wenig Chancen, auch wenn wir angesichts dieses Ohnmachtsgefühls die Macht des göttlich-allmächtigen Individuums anrufen. Doch wir leben in Beziehungsgeflechten, die sich in langfristigen Prozessen entwickeln, und sind wie mit unsichtbaren Fäden aneinandergebunden. Es ist also ein gesamtgesellschaftliches Langzeit-Schleuderprogramm. Solange uns Langsicht, Metaperspektive, Kommunikation und Kooperation nicht besser gelingen, führen unsere Aktivitäten trotz bester Absicht immer wieder in Blockaden und in ein Gegeneinander. Einem Ameisenhaufen ginge das nicht anders, wenn er über individuelle Entscheidungen funktionieren sollte. Konkret heißt das: Interesse am Kind reicht nicht aus, wir müssen uns schon auch für die Eltern selbst interessieren – und zwar nicht nur als Instrumente. Eltern-Kind-Beziehungen sind ja auch keine Einbahnstraße.
Ist diese Frau vielleicht auch deshalb depressiv geworden, weil sie mit der Elternschaft in den heutigen Rahmenbedingungen trotz aller Anstrengungen auf einem beruflichen Abstellgleis landete?
Hat ein Mann sich etwa bis zum Burnout in der Arbeit vergraben, weil aktive Vaterschaft seine Männlichkeit bedroht? Wie wirken sich genetische Dispositionen und Temperament eines Kindes auf Mütter, Väter, Partnerschaft, ihre Sexualität, Lebensqualität und Berufe aus?
FK | An der PH Karlsruhe halten Sie u.a. ein Seminar »Grundwissen Elternschaft«. Was sind Ihre Erfahrungen mit den Studierenden?
DW | Viele stellen schockiert fest: »Ich habe ja noch keine Kinder und eigentlich keine Ahnung.« Sie staunen, was für eine völlig fremde Welt hinter dem Übergang zur Elternschaft liegt. Das macht sie oft so perplex, dass sie noch nicht einmal Fragen stellen können oder einschätzen, welche Darstellungen vom Elternalltag realistisch bzw. überzogen sind. Mir wurde klar: In bester Absicht bringen wir Berufseinsteiger in Pädagogik und Psychologie eigentlich in eine ganz furchtbare Situation. Mit Kindheit sind sie aus eigener Erfahrung bestens vertraut, aber Verantwortung für eine eigene Familie ist ihnen noch völlig fremd. Doch Lehrbücher und Berufshabitus fokussieren auf Kinder, sehen Eltern primär instrumentell und suggerieren, dass Eltern Laien sind und Profis natürlich Bescheid wissen. Doch die Entwicklungspsychologie macht klar, dass genau das unmöglich ist. Wir können nicht wissen, was in der nächsten Phase kommt, wie es sich anfühlt, was es verändert, welche Probleme es bringt und wo Lösungsmöglichkeiten liegen könnten. Im Namen der Professionalität müssen Berufseinsteiger also eigene Unwissenheit und Unsicherheit verdrängen und so tun, als ob sie kompetent und überlegen sind. Unterschiedliche Perspektiven und resultierende Konflikte können oft nur hilflos als elterliche Inkompetenz, Betroffenheit oder Neurotik ausgelegt werden. Doch auch Berufsstände haben nur einen begrenzten Blickwinkel, eigene Interessen, Anerkennungsbedürfnisse, Schamabwehr und Betroffenheiten. Damit ein realistischeres Bild von Familie an die Stelle eigener Kindheitserfahrungen, gesellschaftlicher Ideale, Klischees, Wunsch- und Zerrbilder treten kann, sind autobiografische Sachbücher und Filme heutiger Eltern über ihre Erfahrungen hilfreich. Außerdem scheint mir die Wiederbelebung der früher verbreiteten Familienpraktika eine gute Option, damit erlebt wird: Wie geht Familie aktuell? Und zwar in unterschiedlichsten Lebenswelten – Alleinerziehenden-Haushalt, migrantische Familie, Soloselbständigenhaushalt oder wohlhabende Familie, wo auch nicht alles tiefenentspannt und perfekt läuft. Die allgegenwärtigen Machtaspekte unserer Beziehungsgeflechte werden meist negativ gesehen und tabuisiert. Doch ich erlebe in meiner Arbeit – ob Kita, PH oder Unternehmen – wie gut Aufklärung, Offenheit und Enttabuisierung allen tut. Den Stier bei den Hörnern zu packen, ist für alle hochspannend und entspannend zugleich. Denn damit schwindet die scheinbar unerklärliche, reflexhafte Schutzabwehrhaltung gegenüber Eltern schnell, Interesse und Empathie wachsen. So wird die Basis für gegenseitiges Verständnis, Verständigung und Beziehungsarbeit überhaupt erst geschaffen. Das ist für alle sehr wohltuend. Der Prozess der Aufklärung ist auch im 21. Jahrhundert noch lange nicht zu Ende. Es bleibt spannend!
Literatur:
H. Keller: Mythos Bindungstheorie: Konzept, Methode, Bilanz. Weimar 2019 (Interviews dazu online) | R. Nave-Herz: »Eine sozialhistorische Betrachtung der Entstehung und Verbreitung des Bürgerlichen Familienideals in Deutschland«. In: D. Christa Krüger (Hrsg.): Familie(n) heute: Entwicklungen, Kontroversen, Prognosen. Weinheim 2013 | D. Waterstradt: »Elternarbeit« wird Parent Relations. Eltern als legitime Anspruchsgruppe. In: KiTa aktuell, Fachzeitschrift für Leitungen, Fachkräfte und Träger der Kindertagesbetreuung, Februar 2017 | D. Waterstradt: »Familie gestern, heute, morgen. Weniger Romantik und Moralisierung täte unseren Familienbeziehungen gut. Ein Blick in die Geschichte hilft«. In: Magazin für generationensensible Pastoral »PLUS«, Dez. 2019 (online) | T. Merkle, C. Wippermann: Eltern unter Druck. Selbstverständnisse, Befindlichkeiten und Bedürfnisse von Eltern in verschiedenen Lebenswelten. Stuttgart 2008 (Zusammenfassung online)
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