Sonnenlicht: Regelmäßig, aber mäßig
Wir brauchen Sonnenlicht, um zu leben. Pflanzen bilden Kohlenhydrate: Sie binden letztlich Himmelslicht in den Stoff der Erde und machen es so zu Lebensmitteln, die uns ernähren. Aber wir brauchen das Sonnenlicht auch direkt in einer durch die Erdatmosphäre abgestimmten Dosierung und Qualität. Wir werden krank, wenn es uns fehlt.
Ein Kind bekommt im Extremfall Rachitis aufgrund von Vitamin-D-Mangel. Andererseits macht die Dosis das Gift: »Sonnenbrand« ist eine akute Sonnenlichtvergiftung. Eine chronische Sonnenlichtvergiftung erhöht das Hautkrebsrisiko. Wir müssen also ein Gleichgewicht halten zwischen Sonnenlichtmangel und Sonnenlichtübermaß. Die Hautfarbe als vordergründigstes Merkmal ist eine weise Anpassung der Evolution an die heimatliche Lichtintensität, um Nutzen und Schaden des Sonnenlichts auszubalancieren. Im Rahmen unseres mobilen Lebensstiles wird diese Balance oft missachtet, was zu gesundheitlichen Schäden führen kann.
Das Zusammenspiel von Sonne, Erde und Haut
Die Schichten der Sonnen- und Erdatmosphäre und die Schichten unserer Haut korrespondieren auf besondere Weise miteinander. Die äußerste Sonnenschicht, die Korona, geht kontinuierlich in den Sonnenwind über. Ihre lebensfeindliche Strahlung wird von den äußersten Erdhüllen, der Magnetosphäre und Thermosphäre abgelenkt und absorbiert. Nur ausnahmsweise gelangen Reste des sehr kurzwelligen, nicht sichtbaren ultravioletten UV-C-Lichtes durch die Erdatmosphäre – so zum Beispiel im Hochgebirge. Dieses UV-C-Licht wird dann bereits in der äußersten Oberhaut absorbiert.
Die tiefer liegende Chromosphäre der Sonne strahlt einen wesentlichen Teil des UV-B-Lichtes ab. Es wird zu 90 bis 100 Prozent in der Atmosphäre absorbiert, und zwar vor allem vom Ozon in der Stratosphäre. Das verbleibende UV-B-Licht wird in der basalen Oberhaut absorbiert und erreicht damit die äußersten lebenden Hautzellen. Das ultraviolette, nicht sichtbare UV-A-Licht wird durch die Atmosphäre weniger ausgefiltert und macht daher 95 bis 100 Prozent des UV-Spektrums auf der Erdoberfläche aus. UV-A dringt wesentlich tiefer, bis in die sogenannte Lederhaut, vor. Die Photosphäre der Sonne entspricht der normal sichtbaren Sonnenoberfläche. Der größte Teil dieses sichtbaren Lichtes und des wärmenden, aber auch nicht mehr sichtbaren Infrarotlichtes wird von hier ausgestrahlt. Es erhellt und erwärmt die Troposphäre, in der wir leben, treibt ihr wärmeregulierendes Wetter an und kann bis in die Unterhaut vordringen, in der der menschliche Wärmehaushalt über die Durchblutung reguliert wird.
Wirkungen des UV-Lichtes in der Haut
Die Hornzellen teilen sich in der Basalschicht der Oberhaut und wandern dann nach außen. Hierbei sterben sie, verhornen und schilfern schließlich ab. Die Haut bildet so eine sich von innen her stets erneuernde, nach außen langsam absterbende Körpergrenze. Die Zellen, die die Hautfarbe bilden, liegen direkt auf der Basalschicht zwischen den Hornzellen und »betanken« diese mit dunkelbraunem Farbstoff, dem Melanin, wenn die Haut dem ultravioletten Sonnenlicht ausgesetzt war. Dieses lagern die Hornzellen wie einen Schutzschild auf der lichtzugewandten Seite ein. Den von außen einwirkenden Lichtkräften wird so schwarzbrauner Stoff von innen entgegengesetzt. Dieser absorbiert das UV-Licht so, dass es zu unschädlicher Wärme umgewandelt wird.
UV-B-Licht ist einerseits die Voraussetzung für die Vitamin-D-Bildung in den Hautzellen. Es kann andererseits Sonnenbrände auslösen und spezifisch die Erbsubstanz der Hautzellen schädigen, was zu Krebs führen kann. UV-A-Licht ruft Alterungsvorgänge in den Bindegewebsfasern hervor und verstärkt die krebserzeugende Wirkung des UV-B-Lichtes durch Immunsuppression. Es trägt dagegen nicht zur Vitamin-D Bildung bei und ist nur schwächer sonnenbrandwirksam.
Insbesondere die UV-B-Stärke hängt in der bodennahen Atmosphäre von vielen lokalen Faktoren ab.
UV-Intensität am Boden
So sind die Tageszeit, Jahreszeit und auch die geographische Breite entscheidend. Ist der eigene Schatten wesentlich länger als man selber, so kann man daraus schließen, dass kaum noch UV-B Licht in der Atmosphäre vorhanden ist. Am höchsten ist hingegen die Intensität unter wolkenlosem Himmel. Aber auch eine leichte Wolkendecke lässt noch 80 Prozent des UV-Lichtes durch und streut es. Schatten mindert seine Intensität um ca. 60 Prozent. Rund alle 1000 Meter über dem Meeresspiegel steigt die UV-Intensität um 10-12 Prozent. Aber auch die Reflexion des Lichtes ist entscheidend, was man besonders am Meer und im Gebirge zu spüren bekommt: Schnee reflektiert 80 Prozent des UV-Lichtes, Wasser 25 Prozent und trockener Sand 15 Prozent.
Auch unter der Wasseroberfläche hat das Licht noch fast die Hälfte seiner Intensität. Fensterglas und Fahrzeugscheiben hingegen filtern UV-B-Licht komplett, nicht aber UV-A-Licht. Kinder, die nur im Haus spielen, bekommen somit gar kein nährendes Sonnenlicht.
Sonnenbrand und Sonnenbrandschutz
Nimmt man all diese Faktoren zusammen, so wird ersichtlich, dass der Lichtschutz individuell und je nach Lage, Tageszeit und Hauttyp zu regeln ist. Gerade bei der extrem empfindlichen Haut von Babys und Kindern sollte darauf geachtet werden, dass sie grundsätzlich ein Hütchen tragen, dass sie nicht in der prallen Sonne liegen und spielen. Sind sie unbekleidet, sollte die Haut mit einer Sonnencreme, die einen hohen Lichtschutzfaktor hat, eingecremt sein. Sonnencreme ist nicht dazu da, um mit ihr umso länger in der Sonne zu bleiben. Sie dient dazu, die Risiken unvermeidlicher UV-Exposition abzumildern.
Ein Sonnenbrand entsteht durch die kumulative UV-Belastung eines Tages. Die Erbsubstanz der Hautzellen teilt sich tagsüber und ist währenddessen anfällig für Schädigungen, während nachts die Reparaturvorgänge aktiv sind. So ist auch darauf zu achten, wie lange die Kinder draußen sind. Denn die UV-Strahlung spürt man nicht direkt. Wenn sich die Sonnenstrahlen warm anfühlen, so kommt dies von der begleitenden Infrarotstrahlung. Insbesondere verschätzt man sich daher im Frühjahr an klaren, aber noch frischen Tagen und im Gebirge.
Hautkrebsrisiko
Der nichtmelanotische Hautkrebs ist traditionell eine Erkrankung alter Bauern oder auch Bauarbeiter, da das Risiko mit der lebenslangen UV-Belastung steigt.
Gefürchteter hingegen ist der schwarze Hautkrebs, das Melanom: 90 Prozent entstehen weltweit bei sehr hellhäutigen, nicht oder wenig bräunenden Menschen, insbesondere wenn diese in äquatornahe Gegenden gezogen sind, an deren Licht sie nicht angepasst sind. In Deutschland war das Melanom 2010 der fünfthäufigste diagnostizierte Tumor. Das mittlere Erkrankungsalter ist 58 Jahre bei Frauen und 66 Jahre bei Männern, es gibt keine gemeldeten Fälle bei Kindern und Jugendlichen.
Als wichtigster Risikofaktor gilt die UV-Exposition durch Sonne oder Solarien, und zwar besonders eine intermittierend intensive UV-B-Belastung: Melanome treten häufiger bei Innenraumarbeitern auf, die nur während des Urlaubs dem Sonnenlicht ausgesetzt sind und zwar dort, wo die Haut vor allem ausschließlich in Badebekleidung frei ist. Daraus kann man schließen, wie gefährdet Kinder sind, wenn sie weitgehend drinnen spielen und dann in den Ferien den ganzen Tag ungeschützt am Meer verbringen.
Sonne, Vitamin D und Gesundheit
Niedrige Vitamin-D-Werte gehen mit einer Vielzahl von Erkrankungsneigungen einher. Allerdings ist nicht immer klar, ob ein niedriger Vitamin-D-Spiegel eine einfach per Tablette zu behebende Ursache für diese Erkrankungsneigungen ist oder nur eine Begleiterscheinung, die in eine Vielzahl anderer Bedingungen für Gesundheit und Krankheit, wie zum Beispiel chronische Entzündungsprozesse eingebunden ist, weil hierbei Vitamin D verstärkt verbraucht wird. Wahrscheinlich kann beides zutreffen.
Wie wird Vitamin D gebildet?
Wir verinnerlichen die Sonnenlichtwirksamkeit mithilfe des Vitamins D über vier Stufen:
1. Haut: Bildung von Vitamin-D3 durch UV-B-Licht in einem physikalisch-chemischen Fließgleichgewicht bis zu einer bestimmten täglichen Obergrenze. Im UV-B-Licht-freien »Vitamin-D-Polarwinter« (in Deutschland in den dunklen 4-5 Monaten) bildet die Haut kaum Vitamin D. Der Mensch lebt dann mit seinem inneren Lichtspeicher. Man kann diesen ergänzen durch Vitamin-D-Aufnahme mit der Nahrung (insbesondere fetter Fisch) oder durch künstlich hergestellte Präparate für Säuglinge und Kleinkinder in den ersten beiden Wintern 500IE täglich. Diese Stufe kann man als die des physischen Leibes betrachten, diese Prozesse würden auch im Reagenzglas genauso funktionieren.
2. Leber: Die Leber bildet unreguliert 25-Hydroxy-Vitamin-D3 aus dem Vitamin D. Dies ist die im Blut messbare, noch nicht hormonell aktive Speicherform des Vitamin-D3, die einem mehr oder weniger gefüllten, inneren »Akku« metamorphosierten Sonnenlichtes entspricht. Diese Stufe entspricht am meisten der Wirkung des Lebensleibes (Ätherleibes).
3. Niere (und für den autokrinen Bedarf andere Gewebe): Hier wird das Vitamin D-3 differenziert und hochgradig bedarfsreguliert aktiviert. Die Wirksamkeit des Sonnenlichtes wird in die Sphäre des astralischen Leibes aufgenommen.
4. Erfolgsorgane: Diese Form des Vitamin D-3 aktiviert wiederum seinen ebenfalls regulierten intrazellulären Vitamin-D-Rezeptor (VDR), der in den Zellkernen drei Prozent der menschlichen Gene steuert, die kontextabhängig Zellwachstum, Zelldifferenzierung und -funktion sowie den gesteuerten Zelltod im Sinne des Gesamtorganismus integrierend beeinflussen. Diese Vorgänge stehen in enger Wechselwirkung mit vielfältigen Einflüssen auf die Gesundheit des Menschen bezüglich seines Knochensystems, Krebserkrankungen, Autoimmunerkrankungen,
Allergien, Infektionen, kardiovaskulären Erkrankungen, des metabolischen Syndroms, der Gesamtmortalität. Hier wirkt das in den vorherigen Stufen metamorphosierte Sonnenlicht im Sinne der Ich-Organisation zentral im Organismus.
Knochenentwicklung zwischen Licht und Schwere
Am menschlichen Knochensystem wird die Wirksamkeit des Vitamin-D-vermittelten Sonnenlichtes im Organismus am augenfälligsten: Die Knochen entwickeln sich gesund an ihrer funktionellen Belastung und werden so zu einem Bild der Aufrechte des Menschen.
Hierzu bedarf es feiner Regulationen zwischen Auf- und Abbau von fester Substanz an den jeweils richtigen Stellen im Knochen. Das metamorphosierte Sonnenlicht erhält den Knochen formbar für die Gestaltungskraft der sich in die Schwere aufrecht eingliedernden Person des Menschen. Gleichzeitig bedarf es aber täglicher Bewegung, also Auseinandersetzung mit der Schwere selber. Denn sinnbildlich gesprochen entwickelt sich der Knochen zwischen Licht und Schwere: Er ist formgewordene Funktion, ein organisch geformtes Leichtbaukunstwerk, an dem man direkt die Bewegungsstatik und -dynamik ablesen kann.
Langzeitastronauten müssen mit ausgeklügelten Krafttrainingsgeräten die Schwere simulieren und 1000IE Vitamin D täglich einnehmen, damit ihre Knochen gesund bleiben. So zeigt sich bis in die feinste Physiologie hinein, wie der Mensch ein Wesen ist, das aktiv und ausgewogen zwischen Himmel und Erde leben muss, um gesund zu sein.
Hinweis: Weltweite, tagesaktuelle UV-Messwerte mit Umrechnung in einen UV-Index in farbig aufbereiteten Grafiken für wolkiges Wetter und klaren Himmel erhält man hier: http://kunden.dwd.de/uvi/
Zum Autor: Dr. Till Reckert ist Kinder- und Jugendarzt in einer Gemeinschaftspraxis in Reutlingen. Kindergarten- und schulärztliche Tätigkeit an der Freien Waldorfschule auf der Alb in Engstingen.
Literatur: G. Soldner: Wie leben wir mit der Sonne? »Der Merkurstab« 64, 544–558, 2011 | Deutscher Wetterdienst - Klima und Umwelt – Medizin Metereologie. The Global Solar UV Index and Health Effects of UV Exposure, 2010 | Bundesamt für Strahlenschutz. UV-Index, 2013 | Global Solar UV Index: A Practical Guide, WHO 2002 | International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection. Guidelines on limits of exposure to ultraviolet radiation of wavelengths between 180 nm and 400 nm (incoherent optical radiation). Health Phys 87, 171–186, 2004 | C. Garbe: Risikofaktoren für die Entwicklung maligner Melanome und Identifikation von Risikopersonen im deutschsprachigen Raum. »Hautarzt« 46, 309–314, 1995 | T. Reckert: Sonnenlicht, Vitamin D, Inkarnation. »Der Merkurstab« 62, 577–593, 2009
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