»Wann sind wir endlich da?« Vom Reisen mit (kleinen) Kindern
Viele Eltern wissen, dass eine Reise in die Tropen mit kleinen Kindern schlecht zu machen ist – abgesehen davon, dass sie ihre finanziellen Möglichkeiten übersteigt. Die beliebtesten Reiseziele für Familien sind dementsprechend immer noch Deutschland, Österreich, Spanien, Italien und die Türkei. Trotzdem gibt es genügend Fragen, die eine Familie bewegen, wenn es darum geht, mit Kindern zu verreisen.
Ideal für kleine Kinder sind Reisen, die sie nicht großer Hitze oder Kälte oder hoher Luftfeuchtigkeit aussetzen. Gut erreichbar sollte das Ziel sein, denn endlose Autofahrten sind für Kinder, mehr noch als für Erwachsene, eine Quälerei. Wenn es sich nicht vermeiden lässt: Der ADAC hat herausgefunden, dass die Straßen an Dienstagen am wenigsten voll sein sollen.
Flug-Fernreisen sind ebenso problematisch, gerade wenn größere Zeitverschiebungen ins Spiel kommen. Der Jetlag ist für Kinder eine Belastung, da lange Flugzeiten, ein veränderter Tagesablauf und ein rascher Wechsel der Lebensbedingungen von ihnen nicht so leicht weggesteckt werden. Bis der neue Rhythmus gefunden ist, dauert es meist vier bis sechs Tage und dann steht in aller Regel auch schon wieder die Rückreise bevor.
Neben der An- und Abreise sollte auch die Infrastruktur vor Ort ein Kriterium sein. Es sollte viel Raum zum Toben und Spielen geben und auch nicht zu viel Durchgangsverkehr auf dicht befahrenen Straßen. Es lohnt sich, vorher die hygienischen Verhältnisse (Wasserqualität) abzuklären und sich auf die unterschiedlichen Länderküchen mit ungewohnten Gewürzen einzustellen, die gerade für Kleinkinder gewöhnungsbedürftig sind. Für Bagatellerkrankungen empfiehlt sich unabhängig vom Reiseziel eine gut sortierte Reiseapotheke. Die Anthroposophische Medizin kennt für klassische Reisekrankheiten wie Durchfall, Erbrechen, Insektenstiche, kleinere Unfälle, Fieber und Schmerzen viele wirksame Mittel. Zu einer guten Vorbereitung gehört eine luftige Zeitplanung: Nicht alles, was im Reiseführer steht, muss auch wirklich gemacht werden. Ein Muss dagegen ist genügend Freiraum für Stunden im Park, am Strand oder auf dem Spielplatz. Wenn Kinder mitbestimmen können, tut das der gesamten Planung gut.
Aus der Perspektive des Kinderarztes sei den Eltern folgender Punkt ans Herz gelegt: Schaffen Sie Raum für Rituale und Rhythmen. Unterwegs tickt die Uhr anders. Alles in der Umgebung ist neu und ungewohnt. Deshalb ist es wichtig, bestimmte Rituale von zu Hause einzuhalten: Die Geschichte vor dem Schlafengehen mit Lieblingsbüchern und Kuscheltieren, regelmäßige Mahlzeiten, Zeit zum Spielen und Toben, feste Schlafens- oder Ausruhzeiten.
Neben diesen eher organisatorischen Fragen wäre es aber auch sinnvoll, mal eine andere Perspektive zu wagen: Lassen Sie doch einmal Ihre Gedanken in Ihre eigene Vergangenheit schweifen. Wie war es damals, als Sie selbst ein Kind waren? Was haben Sie gerne im Urlaub mit Ihrer Familie gemacht? Welche Orte sind Ihnen in Erinnerung geblieben? Sie werden merken, dass es nicht immer die größten Erlebnisse und Reisen waren, die sich als »zeitlos« eingeprägt haben. Sondern eher die »kleineren« Erlebnisse, wie Zelten an einem Fluss in der Eifel oder begeistertes Fußball-Spielen am Strand von Holland.
Meist sind diese ganz besonderen Erinnerungen nicht unbedingt an bestimmte Orte geknüpft, sondern eher an das Beisammensein mit der Familie oder Freunden. Vor allem das Zusammensein mit vertrauten Menschen schafft die Basis für besonders eindrückliche (Ferien-) Erlebnisse. Diese Verbundenheit kann eigentlich überall entstehen. Sogar die vertrauten Eltern können dabei als anders empfunden werden: Im Urlaub sind Mama und Papa entspannter und deshalb einfach oft anders.
Der sonst vollgepackte Alltag mit Schule, Musikunterricht, Arbeit und Haushalt macht Platz für ganz andere Begegnungen – mit sich selbst, mit den Eltern, mit den Geschwistern. Und das ist in der heutigen Zeit nicht selbstverständlich. Die Frage lautet also nicht unbedingt: »Wohin fahren wir«, sondern »Wie und wo öffnet sich der Raum für diese Begegnung?« Dazu braucht es vor allem Zeit – der Ort ist gar nicht so entscheidend. Lassen Sie Begegnung zu, so dass Ihre gemeinsame Urlaubszeit auch in den Erinnerungen Ihrer Kinder »zeitlos« lebendig bleiben möge.
Zum Autor: Dr. Genn Kameda ist Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin in Düsseldorf
Anna , 04.07.18 13:07
cool
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