Zur Gestaltung von Schule
Diese Thematik ist auf unserem Blog »Schule in Zeiten von Corona« durch einige Artikel vertreten. Es gibt Darstellungen von Kollegen, wie sie die Schüler unterrichten, Artikel, die zur Kreativität aufrufen, Hilfen für den Online Unterricht und vieles mehr.
Es wird auch über die Lehrerkonferenz geschrieben. Was bedeutet in der aktuellen Situation die gemeinsame Arbeit der Kollegen? Von der Haltung »Eine Pädagogische Konferenz virtuell abzuhalten geht gar nicht« bis zu »Wir probieren es und sehen, ob es uns gelingt. Es ist wichtig!« ist alles dabei. Es sind viele organisatorische Aufgaben zu besprechen, die, wie ich finde, in einer virtuellen Konferenz erledigt werden können.
Hier eine Erfahrung aus der Nanshan Schule in China : »Seit der letzten Woche sind wir fleißig - jeden Tag haben wir mehr als 2 Stunden in der Online-Konferenz verbracht, bei der alle Kollegen unser Lehrerhandbuch durcharbeiteten. Durch diese Arbeit mit dem Handbuch gab es große Veränderungen, und zusammen mit 5 Kollegen haben wir eine neue Entwicklung initiiert. Wir waren der Meinung, dass wir uns tiefer mit dem Studium und der Weiterentwicklung der Lehrer sowie mit der Elternschule beschäftigen müssen. Auch haben wir in den vergangenen 5 Wochen mit 30 Lehrern die vier Vorträge zur Meditativ Erarbeiteten Menschenkunde gelesen und hart erarbeitet. Es war sehr nahrhaft und ermutigend.«
Situation der Eltern
Plötzlich sind die Eltern mit der Tatsache konfrontiert, ihre Kinder – egal ob klein oder schon grösser – den ganzen Tag zu Hause zu erleben. Aufgaben von der Schule werden geschickt, gebracht oder sind virtuell abzufragen. Die Kleinen müssen von den Eltern instruiert werden, Kindergartenkinder können die Aufgaben nicht lesen, Größere werden begleitet, vieles geht auch selbständig. Doch die Eltern haben auch ihre Arbeit … Das zu organisieren ist nicht leicht und wenn dann die Wohnung auch noch klein ist, kann es leicht zu Stress kommen. Ich habe von Eltern gehört, die einen Parcours in der Wohnung errichten, so dass die Kinder über längere Zeit tätig sein können. Andere entdecken mit den Kindern das Kochen und Backen. Es wird berichtet, dass viel mehr Gemüse gekauft wird als sonst und Mehl oft nicht mehr im Regal zu finden ist… Eltern entdecken neue Fähigkeiten an ihren Kindern, Kinder Neues an ihren Eltern.
Neben den Hausaufgaben für die Schüler bieten manche Schulen den Eltern Unterstützungshilfen für daheim an. Dabei werden verschiedenste Ideen entwickelt.
Hier Beispiele aus Chengdu und Beijing: »Wir hielten mehrere Online-Gespräche ab, wie wir die Eltern unterstützen können und hatten einige interessante Frage-Antwort-Sitzungen. Wir boten den Eltern eine Reihe von Perspektiven an, die uns helfen sollten, die Situation zu verstehen, um Wissen über das Virus zu erlangen. Wir antworteten auf Fragen der Hygiene und zu psychologischen Problemen. Andere, konkretere Fragen wurden behandelt: Wie geht man mit dem Internet um? Wie erzählt man Geschichten? Wie liest man vor oder liest man zusammen? Wie kann man Kinder beruhigen, wenn sie viel vom Tod gesehen oder traurige oder hässliche Dinge gehört haben?
Wir erhielten einige sehr positive Rückmeldungen. Die Schule und die Lehrerinnen und Lehrer blieben in Kontakt mit den Eltern. Die Menschen halfen einander nicht nur mit Informationen und Methoden, sondern auch in Bezug auf Materialien.
Vom 31. März an begann ich morgens einen zehnminütigen Vortrag vor unserer Gemeinschaft zu halten, der sich auf das Thema »die Kunst der Elternschaft« oder "Lebenskünstler" konzentrierte. Meine erste Woche habe ich mit dem Thema "Warum entscheiden wir uns dafür, Eltern zu sein" abgeschlossen. Heute begann ein anderer Kollege seinen einwöchigen Online-Vormittagsvortrag über "die Kunst, das Wachstum eines Kindes zu begleiten". Dies ist es, was wir denken, was wir tun können, um einige Erkenntnisse aus der Anthroposophie mit anderen zu teilen und zu vermitteln, um die Gemeinschaft zu unterstützen. Der Vortrag erwies sich als sehr positiv und wurde bisher mehr als 3900 Mal gehört.«
Situation der Schüler
Neben dem Lernen für die Schule blieb Zeit für anderes. Nicht überall ist es erlaubt und gibt es Möglichkeiten, sich draussen aufzuhalten. Es wird von fröhlich spielenden Kindern im Garten berichtet, von zufriedenen Kindergartenkindern unter der Obhut ihrer Eltern, von Jugendlichen, die auch mal wieder andere Gesichter als verwandte sehen wollen und auch davon, wie manche den Kontakt zu ihren Kameraden vermissen und man diese Situation deutlich an ihnen erleben kann.
Hier ein Eindruck einer Mutter aus Asien: »Meine Tochter hat mit der Sehnsucht nach der Schule sicher ihren eigenen Lebensrhythmus gefunden, aber sie kann ihre Zeit jetzt immer noch genießen mit Lernen, Radfahren, mit dem Hund spazieren gehen, ihren Drachen steigen lassen oder mit den Großeltern auf den Flohmarkt gehen. Das ist nicht schlecht für sie.«
Und wie sind die Erfahrungen mit dem Lernen? Auch hier wiederum ganz unterschiedlich. Man liest von Schülern, die schnell mit ihren Aufgaben fertig sind und viel Zeit für andere Dinge haben. Andere wiederum haben Aufgaben bekommen, die ihnen viel Spielraum geben. Die Schüler entwickeln Interesse und viel eigenständiges Suchen und Lernen. Manch ein Schüler oder eine Schülerin aber tut sich auch schwer, da ist der gemeinsame Klassenraum und die vom Lehrer vorgegebene Struktur eine grosse Stütze.
Zukunft
Noch ist die Wiedereröffnung der meisten Schulen in der Planungsphase. Wie sieht es konkret aus, wenn die erste Begegnung in der Schule wieder stattfinden kann? Bisher sieht es nach freudiger Begegnung ohne physischen Kontakt aus. Wird das gehen, fragen sich die Kollegen der jüngeren Schüler? Meine Klasse ist zahlenmässig grösser, muss ich jetzt in zwei Hälften unterrichten? Wie kommen die Kinder in die Schule? Viele Fragen, die gelöst werden wollen.
Hier einige Überlegungen vor der Wiedereröffnung in China von einer Kindergärtnerin aus Chengdu:
»Es geht uns allen sehr gut und wir sind damit beschäftigt, den Schulbeginn vorzubereiten. Brauchen wir eine Maske? Es gibt viele Bestimmungen zur Epidemiebekämpfung in den von der Regierung geforderten Schulmaßnahmen. Beispielsweise sind nach Schulbeginn keine Versammlungen mehr erlaubt. Jedes Kind muss das Klassenzimmer direkt über den festgelegten Durchgang vom Tor aus betreten, und zwischen den einzelnen Personen sollte ein Abstand von mehr als einem Meter bestehen. Kein Singen, kein Flötenspiel, kein gemeinsames Essen, der Lehrer und die Kinder müssen den ganzen Tag Masken tragen … wenn wir darüber nachdenken … für die Kinder und Lehrer ist dies eine sehr schwierige Aufgabe. Bei so vielen Bedenken und Vorschriften ist es vielleicht besser, die Kinder zu Hause weiterspielen zu lassen.«
Erfahrungen
Und dann wird es spannend. Wie können die gemachten Erfahrungen so ausgewertet werden, dass sie positive Veränderungen in die Schulen, in den Schulalltag bringen? Wurden positive Erfahrungen gemacht? Wie werten wir den digitalen Unterricht aus? Was haben die Schüler und Schülerinnen vermisst? Welche Bedeutung geben wir unserem Schulleben? Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina in Deutschland führte in einer Ad-Hoc Stellungnahme zu den verschiedenen Lebensbereichen ihre Hinweise aus (1). Für den Bildungsbereich wurde geschrieben, dass die Krise zum massiven Rückgang der Betreuungs-, Lehr- und Lernleistungen sowie zur Verschärfung sozialer Ungleichheit geführt hat. Gerade jüngere Kinder seien im Bildungssystem auf persönliche Betreuung angewiesen.
Man kann sich denken, dass hier für die Schulbewegung eine Herausforderung liegt. Im Anschluss an den 100-jährigen Geburtstag im Jahr 2019 stellt uns das Jahr 2020 vor ganz neue Fragen. Nehmen wir die nicht einfache Zeit und die Erfahrungen von »Schule in Zeiten von Corona« zum Anlass Schule und Unterricht zu überdenken. Was ist für die Zukunft wichtig? Wie müssen wir mit Eltern, Schülern und Lehrern Schule gestalten? Viele Fragen und Aufgaben gibt es zu bearbeiten.
Quelle: Pädagogische Sektion am Goetheanum/ Schweiz, Homeschooling
Literatur: (1) www.leopoldina.org/