Großes »Ja« – kleines »Aber«

Helmut Fiedler

Die Elternhäuser in der Schweiz wurden mittels eines Fragebogens um Auskunft gebeten, der von rund 40 Prozent der Schulfamilien ausgefüllt wurde. Das sind 2.737 vollständige Fragebögen, das Ausfüllen dauerte knapp eine Stunde. Die Datenerhebung fand im Januar/Februar 2016 statt und umfasste Schulen sowie Kindergärten, nicht aber heilpädagogische Schulen. Das Buch ist in Teilen gut lesbar, wenn man sich nur über bestimmte Aspekte informieren möchte. Hier soll ein kleiner Überblick über Ergebnisse sowie offene Fragen gegeben werden. Insgesamt sind die Waldorfeltern in der Schweiz sehr zufrieden mit ihrer Schulwahl: 87 Prozent würden ihr Kind wieder auf eine Waldorfschule schicken, 84 Prozent sagen, ihr Kind geht meist gern zur Schule. Die Eltern geben als Motive für die Schulwahl das ganzheitliche Erziehungskonzept, die positive Lernstimmung sowie die individuelle Förderung an. Die Eltern stellen fest, dass ihre Kinder in verschiedenen Bereichen gefördert werden: Selbstbewusstsein, Vertrauen, Kontaktfähigkeit, Ausdrucksfähigkeit und Willenserziehung. Damit gibt es eine deutliche Übereinstimmung von dem, was der Waldorfpädagogik und dem, was den Eltern wichtig ist: Schüler zu selbstständigen Menschen erziehen. Diese Ziele werden aus Elternsicht auch umgesetzt, die Eltern sind mit den Unterrichtsleistungen sehr zufrieden.

Die Waldorfeltern in der Schweiz sehen die Waldorfschulen bzw. die dortigen Lehrer bezüglich der Zeitgemäßheit kritischer als die Lehrer selbst – hier passen also Selbst- und Fremdbild nicht ganz zusammen. Auch beurteilen die Eltern organisatorische, betriebswirtschaftliche, kommunikative sowie prozessuale Faktoren weniger wohlwollend als die pädagogische Leistung. Die Schulen werden nicht als innovationsstark wahrgenommen. In dem Buch werden bei den offenen Fragen v.a. drei Arbeitsfelder beschrieben, wo sich Eltern Veränderungen wünschen: erstens bei der Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen Eltern und Lehrern; zweitens bei der zeitgemäßeren Gestaltung der Waldorfpädagogik (z.B. sagen 35 Prozent der Eltern, dass gesellschaftliche Phänomene, v.a. die Digitalisierung, von den Lehrern zu wenig aufgegriffen werden); drittens bei der Professionalisierung im Rahmen der Selbstverwaltung.

Im Besonderen lassen sich drei Kritikpunkte festhalten: Die Eltern wünschen sich einen Ausbau der Förderung der Fähigkeit des Selbstlernens; sie schätzen die Kritikfähigkeit der Lehrer als teilweise ausbaufähig ein und sehen in der Kommunikation sowie der Zusammenarbeit zwischen Eltern und Lehrern für die Schulentwicklung noch Potenzial. Interessant ist bei der Auswertung der Fragebögen, dass die Elternhäuser, die schon länger an der Waldorfschule sind oder selbst Waldorfschüler waren, die Situation meist kritischer bzw. weniger positiv beurteilen.

Das Buch bietet eine Fülle von Ergebnissen, wie die Elternhäuser in der Schweiz auf die Waldorfschulen blicken. Da immer wieder Verknüpfungen zu Befragungen von Eltern in Deutschland gezogen und hier keine grundsätzlich anderen Sichtweisen deutlich werden, kann man davon ausgehen, dass sowohl in Lob als auch in der Kritik verallgemeinerbare sowie übertragbare Aussagen vorliegen – das macht die im Buch beschriebenen Zukunftsideen für die Schulentwicklung sehr interessant.

Heinz Brodbeck: Rudolf Steiner Schule im Elterntest. Lob – Kritik – Zukunftsideen. 243 S.; EUR 14,90, books on demand, Norderstedt 2018