Mit seinem Dokumentarfilm »Die große Stille« über das Leben der Mönche in einem Kartäuser-Kloster wurde der Regisseur Philip Gröning bekannt. Nun hat er einen Spielfilm gedreht. »Die Frau des Polizisten« gewann 2013 den Spezialpreis der Jury in Venedig. Drei Stunden dauert der Film, der sich in 59 Kapitel gliedert. Sie werden isoliert aneinandergereiht, der Zuschauer muss selbst den Handlungsfaden herstellen.
Ein junges Ehepaar mit Kind zieht in die ländliche Provinz, um dort ein Leben aufzubauen. Uwe (David Zimmerschied) ist Polizist, in der traditionellen Rolle des Familienernährers. Um sein Einkommen zu verbessern, übernimmt er verstärkt Schichtdienste. Dies hat eine Entfremdung zur Folge, wenig Lebenszeit zu dritt. Seine Frau Christine (Alexandra Finder) führt in der sozialen Isolation und Abgeschiedenheit ihres Alltags ein inniges Beziehungsleben mit ihrer kleinen Tochter Clara – wundervoll gespielt von dem eineiigen Zwillingspaar Pia und Chiara Kleemann. Zwischen Mutter und Kind bildet sich eine Nähe, die den Vater eifersüchtig macht. Allmählich entwickelt sich die tödliche Spirale, die zu einer Katastrophe führt.
Was wir unter dem buchstäblichen Schlagwort »häusliche Gewalt« kennen, durchzieht bekanntlich sämtliche sozialen Milieus und Bildungsschichten. Kürzlich ist eine Studie erschienen, nach der jede vierte Frau in Europa mindestens einmal solcher Gewalt ausgesetzt war. Das Verdienst des Films ist es, die Entwicklung von der Innigkeit zum Gewaltausbruch aufzuzeigen. Es wird nicht einfach ein Unmensch vorgeführt, sondern der Regisseur versucht die Seelengründe der Personen auszuleuchten. Qualvoll ist das dennoch – der nüchterne Kamerablick auf das spielerische Geschehen und die innige Liebesbeziehung verlangt dem Zuschauer einiges ab. Er muss drei Stunden lang den Blick in den Abgrund ertragen, ohne dass ihm eine Hoffnung angeboten wird oder eine Perspektive, wie diese Lage zu ändern wäre. Ob man sich dies zumuten kann und will, sollte man sich vorab überlegen.
Die Frau des Polizisten, Drama, Regie Philip Gröning, 179 min., FSK 16 Jahre